Die Beschäftigten der beiden Stuttgarter Musicals fühlen sich von der Politik ausgegrenzt. „Es scheint, als hätte man uns unrettbar abgeschrieben“, klagt die Stage-Belegschaft und fordert: Die Landesregierung sollte mehr für die Kultur tun!

Stadtleben/Stadtkultur: Uwe Bogen (ubo)

Stuttgart - Der letzte Vorhang ist in den beiden Stuttgarter Musicalhäusern am 12. März 2020 gefallen. Seit fast einem Jahr geht nichts mehr im Entertainment-Zentrum auf den Fildern – weder „Aladdin“ noch „Tanz der Vampire“ kann die Fans erfreuen. Die Belegschaft der Stage Entertainment hat ihre Angst vor der Zukunft nun mit eindringlichen Worten formuliert – in einem offenen Brief an Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne), Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU), Oberbürgermeister Frank Nopper (CDU) und weiteren Entscheidungsträger.

 

„Wir finden in der Öffentlichkeit gar nicht mehr statt“, klagt Boris Ritter, der musikalische Leiter des Palladium-Theaters. Die Kultur- und Veranstaltungswirtschaft werde bei der Aufzählung der krisengeschüttelten Branche gar nicht mehr wahrgenommen. Provokativ fragen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, ob sie normalerweise auf oder hinter der Bühne stehen, ob sie im Foyer, in der Gastronomie oder im Orchestergraben tätig sind: „Ist die Kultur schon als unvermeidliches Opfer, als sogenannter Kollateralschaden des Corona-Krisenmanagements, eingeplant?“

Hilfen für freiberufliche Künstler kommen oft nicht an

Zwar profitieren die festangestellten Mitarbeiter der Stage Entertainment vom staatlichen Kurzarbeitergeld, doch die Theater selbst fielen, so heißt es in dem offenen Brief, „bisher durch das Raster jeglicher weiterer staatlicher Hilfen“. Die Hürden für die freiberuflichen Musiker, Schauspieler und Sänger, eine der Corona-Hilfen in Anspruch nehmen zu können, seien enorm hoch. „Viele Anträge werden abgelehnt“, klagen die Künstler, die sich im Namen von 300 Beschäftigten der Stuttgarter Musicalhäuser an die Politik gewandt haben.

In dem Brief, zu dessen Adressaten auch Staatssekretärin Petra Olschowski (Grüne) und der CDU-Bundestagsabgeordnete Stefan Kaufmann gehören, lautet der eindringliche Appell: „Rücken Sie die Kultur und die Kulturschaffenden wieder ins Bewusstsein de Politik und der Menschen! Kultur ist wichtig - nicht nur als Wirtschaftsfaktor! Kultur hat, gerade in und nach Krisenzeiten, eine heilende Wirkung auf unsere Gesellschaft und unser soziales Gefüge!“

„Es scheint, als habe man sich von uns bereits für immer verabschiedet“

Wann es wieder losgehen kann unter strengenden Hygienebedingungen im Apollo- und Palladium-Theater, ist freilich den Stage-Mitarbeitern auch nicht klar. Es sei aber wichtig, eine Perspektive zu bekommen. „Die Politik kann zumindest die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf uns ziehen“, sagt der Dirigent Boris Ritter gegenüber unserer Zeitung. Nach „fast einem Jahr faktischem Berufsverbot“ vermissen die Betroffenen Gesten und Aufmunterung. Während über viele andere Branche geredet werde, fänden Musical, Entertainment und Kultur in der öffentlichen Wahrnehmung gar nicht mehr statt – als habe man sich von diesen Bereichen bereits für immer verabschiedet.