Nach der Kommunalwahl im Mai diesen Jahres wird auch der Kulturausschuss des Stuttgarter Gemeinderates neu besetzt. Langjährige Berater aus der Kulturszene stehen dafür nicht mehr zur Verfügung.

Stuttgart - Eine kulturpoltitische Podiumsdiskussion vor ein paar Wochen im Stuttgarter Kunstgebäude: Als schon beinahe alles gesagt ist, erhebt sich im Publikum Andreas Keller, der ehemalige Intendant der Bachakademie, der als einer von einem knappen Dutzend so genannter Sachkundiger Bürger im Kulturausschuss des Stuttgarter Gemeinderates mit der Beratung der hiesigen Kommunalpolitiker betraut ist. Dazu kommen noch einmal ebenso viele Vertreter, die einspringen, wenn Sachkundige verhindert sind. Was Keller in seinem Wortbeitrag vor der Wahl des Stuttgarter Gemeinderates fordert, ist nicht neu, eher ein Dauerbrenner einschlägig Interessierter: Der Kulturausschuss, ein beratendes Gremium, müsse endlich ein beschließendes Gremium werden, fordert Keller.

 

Die Leute vorne an den Stehtischchen, Kulturpolitiker, die wiedergewählt werden wollten, und so genannte Sachkundige, die schon lange dabei sind, antworteten sogleich, was sie an dieser Stelle stets antworten: Dass eben diesen beschließenden Charakter die Gemeindeordnung verbiete. Und das ergibt durchaus Sinn: Während die im Ausschuss vertretenen Kulturpolitiker der Fraktionen von den Bürgern gewählt werden, fehlt den sachkundigen Beratern, üblicherweise Chefs oder Exchefs von hiesigen Kultureinrichtungen, diese demokratische Legitimation. Sie wurden bisher von den kulturpolitischen Sprechern der Gemeinderatsfraktionen ausgesucht, künftig soll dieses Verfahren geändert werden: Von nun an sollen die Sprecher der verschiedenen in Stuttgart tagenden spartenspezifischen kulturellen Arbeitsgruppen (Bildende Kunst, Musik, Literatur et cetera) als sachkundige Berater im Kulturausschuss des Stuttgarter Gemeinderates fungieren. Manche dieser Arbeitsgruppen treffen sich seit Jahren, andere wurden von der Leitlinien-Diskussion „Kultur im Dialog“ initiiert.

Doch auch wenn sich das formelle Auswahlverfahren ändert: Vorerst deutet wenig darauf hin, dass sich an den Grundkonflikten der Konstellation im Kulturausschuss aus Kommunalpolitikern und Vertretern von Kulturinstitutionen viel ändern wird: Teile der so genannten Sachkundigen finden seit Jahren, dass ihre Kompetenz von den Kommunalpolitikern nicht genügend geschätzt und eingebunden werde. Teile der Kommunalpolitiker wiederum zeigen sich seit Jahren leicht genervt von dem Umstand, dass nicht alle Sachkundigen in kommunalpolitischen Abläufen und Regularien so fit seien wie sie selber.

Olschowski und Joly verlassen den Kulturausschuss

Kulturbürgermeisterin Susanne Eisenmann wiederum kommentiert in den in etwa vierteljährigen Abstand stattfindenden Sitzungen ihr Missfallen gerne mal mit der ihr eigenen Direktheit, was auch nicht allen beratenden Vertretern von Kulturinstitutionen behagt: „Ich bin mit der Zusammenarbeit im Kulturausschuss nicht zufrieden“, sagte Eisenmann vor drei Jahren in einer Sitzung. Worauf Petra von Olschowski, die Rektorin der Kunstakademie, damals noch Sprecherin der Sackundigen, gegenüber der Stuttgarter Zeitung erklärte: „Wir wünschen uns von allen Mitgliedern des Ausschusses Wertschätzung und von Frau Eisenmann eine harmonische Moderation zwischen Kulturschaffenden und der Politik.“

Ein halbes Jahr später legten Olschowski und ihr Kosprecher Jean-Baptiste Joly, der Direktor der Akademie Schloss Solitude, ihre inoffiziellen Sprecherämter gemeinsam nieder. Die Sitzungen des Kulturausschusses seien „ nicht immer so entspannt“, dass man sich jederzeit gerne zu Wort melde, sagte Joly damals der StZ.

Nun haben Olschowski, Joly und einige andere (Franziska Kötz, Ronald Grätz, Gabriele Röthemeyer) auf Anfrage der Kulturverwaltung erklärt, dass sie dem Kulturausschuss, der sich nach der Gemeinderatswahl neu konstituieren muss, künftig nicht mehr als Mitglieder zur Verfügung stehen. Auch einige der Stellvertreters des knappen Dutzends Sachkundiger (Heinz Baitinger, Bea Kießlinger, Sandro Parrotta, Ralf Schübel) haben erklärt, dass sie künftig nicht mehr dabei sind, alle hätten zeitliche oder persönliche Gründe angeführt, erklärt Susanne Eisenmann.

„Es war nicht immer leicht“

Jean-Baptiste Joly, mit 25 Dienstjahren der dienstälteste Sachkundige im Ausschuss, weist denn auch etwaigen Frust als Ausscheidegrund weit von sich: „Ich habe das gerne gemacht, auch wenn es nicht immer leicht war“, sagt er über sein Vierteljahrhundert im Kulturausschuss, bei dem er zu interessanten Erkenntnissen gelangt ist: „Man hat dort den Eindruck, dass man keine Rolle spielt, aber dass es trotzdem wichtig ist, dass man da ist.“ Nach 25 Jahren sei es einfach Zeit, Platz für andere zu machen, meint Joly, der nie für eine Entscheidungsbefugnis des Kulturausschusses war, „andererseits habe ich das Gefühl, dass die Expertise nicht optimal genutzt wird.“

Auch seine ehemalige Kosprecherin Petra von Olschowski erklärt, dass ein Wechsel einfach an der Zeit sei: „Ich bin etwa zehn Jahre lang beratendes Mitglied im Kulturausschuss gewesen. Das ist eine gute Zeitspanne, um Platz zu machen für neue, frische Gesichter und andere Meinungen. Solche Gremien leben ja auch vom Wechsel“, erklärt sie. Die Architektur-Antiquarin Petra Bewer, die zu einer Art inoffizieller Wortführerin für das Kulturelle-Leitlinien-Projekt „Kultur im Dialog“ geworden ist, würde hingegen gerne im Ausschuss weitermachen. Seit die neue Kulturamtschefin Birgit Schneider-Bönninger im Amt ist, herrsche in der Stuttgarter Kulturpolitik eine „sehr offene Stimmung“ bekundet sie.

Wer in der ersten Sitzung am 15. Oktober als beratendes Mitglied im neuen Kulturausschuss sitzt, ist freilich noch nicht bekannt. Der Benennungsprozess laufe gerade, erklärt Susanne Eisenmann. Einige der elf Stuttgarter Kulturarbeitskreise hätten bereits zu entsendende Sprecher gewählt. Andere Arbeitskreise jedoch arbeiten noch gar nicht.

Ein Kompromiss für die Besetzung

Auch deshalb ist in der Verwaltungsauschuss-Sitzung Ende Juni der CDU-Antrag für eine Ausschussbesetzung über die Arbeitskreise nach einigem Widerstand von Grünen und SPD in einen Kompromiss abgewandelt worden: Grundsätzlich wird das Bennenungssystem für die so genannten Sachkundigen Bürger des Kulturausschusses zu einer Entsendung aus den Arbeitskreisen hin geändert. Dort jedoch, wo die Arbeitskreise keine Bennenungen vornehmen können, wählen die Fraktionen nach dem bisherigen Verfahren ihre Berater aus. Einen Bewerberstau gibt es, wie es scheint, jedoch nicht.