Das Stuttgarter Musiklabel Chimperator hat angekündigt, fortan die Songs seiner Künstler jeweils einzeln zu veröffentlichen. Im Format Album wird nicht mehr gedacht. Warum, erkärt der Geschäftsführer Sebastian Schweizer im Interview.

Digital Desk: Jan Georg Plavec (jgp)

Stuttgart - Das Stuttgarter Label Chimperator hat Rapstars wie Cro oder Die Orsons unter Vertrag. Zum Erfolg trug nicht zuletzt bei, dass die Firma das Internet intensiv genutzt hat, um ihre Musik zu vertreiben. Weil die Einnahmen aus Streamingdiensten wie Spotify immer wichtiger werden, passt sich Chimperator an das Hörerverhalten dort an und veröffentlicht statt ganzer Alben nur noch einzelne Songs. Der Geschäftsführende Gesellschafter Sebastian Schweizer erklärt, warum er diesen neuen Weg geht.

 
Herr Schweizer, Sie haben angekündigt, mit Ihrem Label Chimperator künftig keine Alben mehr zu veröffentlichen – sondern nur noch Song für Song. Das müssen Sie erklären.
Der Markt verändert sich wegen der Streamingdienste, und das immer schneller. Damit müssen wir umgehen. Wir haben gemerkt, dass die Leute einzelne Tracks streamen und weniger ganze Alben am Stück - weil auf Spotify und anderen Diensten der nächste Song und der nächste Künstler immer nur einen Klick entfernt sind. Also haben wir angefangen, den Entwicklungsprozess eines jeden Albums sichtbar zu machen. Es fällt ja nie ein fertiges Album vom Himmel. Wenn ein Song fertig ist und ihn alle gut finden, hauen wir ihn eben raus. Die Tracks sammeln wir auf einer Playlist, und irgendwann ist die Playlist das Album.
Es fällt auf, dass Sie an dem Konzept „Album“ noch irgendwie festhalten.
Das Album wird nicht aussterben. Für manche Künstler ist es als Form sinnvoller als für andere. Der bei uns unter Vertrag stehende Tua zum Beispiel zitiert sich öfter selbst. Da muss man den einen Song auf dem Album gehört haben, um den anderen zu verstehen. Oder Cro – da ist alles schon so groß, dass man nicht immer so flexibel reagieren kann.
Cro hat früher immerhin Mixtapes gemacht.
An diesem Prinzip orientieren wir uns. Im HipHop sammeln die Künstler schon länger ihre Tracks einen nach dem anderen auf solchen Mixtapes. Und ja, es kann sein, dass der eine oder andere Song, der am Ende möglicherweise nicht mehr hineinpasst, dann eben nicht auf dem Album vertreten ist. Wir zeigen den Hörern, dass das „work in progress“ ist.
Teesy ist der erste Chimperator-Künstler, bei dem Sie dieses Prinzip anwenden. Was sagt der eigentlich dazu und wie greift das in seine künstlerische Arbeit ein?
Ich habe ihm bei der Vorbesprechung zum neuen Album diese Idee vorgestellt. Teesy hat mir gesagt, er wolle ohnehin anders veröffentlichen als man das bisher getan hat. Es sind ja jetzt erst zwei Songs veröffentlicht. Deshalb kann man zu den Folgen noch gar nichts sagen – außer dass es ihn motiviert, dass die ersten Tracks gut ankamen. Am Freitag erschien der dritte Song, diese Woche folgt das Video dazu.
Sie machen das vor allem wegen der Streamingdienste und weil die wirtschaftlich für die Musikindustrie so wichtig sind, oder?
Die Streaming-Umsätze steigen – aber sie fangen nicht auf, was bei Tonträgerverkäufen wegfällt. Tatsächlich ist es so: Spotify ist heute, was früher MTV war. Du musst in die Playlists reinkommen, die wichtigsten bestückt Spotify selbst. Und da kommst du am ehesten mit Singles rein, zu denen es idealerweise auch ein Video gibt – weil das auch mehr Streaming-Abrufe generiert.
Sind Sie mit dieser neuen Strategie Pioniere?
Es gibt schon Künstler, die so veröffentlichen. Der Rapper Drake hat zum Beispiel schon vor einem Jahr sein Album „More Life“ quasi als „Radioshow“ veröffentlicht. Oder auch Kanye West hat ja bei „Pablo“ immer wieder die Trackliste und auch das Cover geändert. Aber als Label sind wir soweit ich weiß die Ersten, die das bewusst so machen und auch darüber reden. Es ist natürlich blöd, das klassische Album als Format aufzugeben. Aber das Hörerverhalten ist nun mal, wie es ist – gerade in den Genres, wo Chimperator stark ist. Dagegen anzukämpfen, wäre sinnlos.