Das bundesweite Portal nebenan.de hat längst nicht mehr nur großen Zulauf im Stuttgarter Stadtzentrum. Auch in den Außenbezirken steigt die Zahl der registrierten Nachbarn. Laut dem Netzwerk liegt Stuttgart mit seinen rund 21 000 Nutzern im Deutschlandvergleich auf Platz sechs der aktivsten Städte.

Stuttgarter Norden - Eine Bohrmaschine ausleihen, einen Babysitter finden, einen Handwerker empfehlen oder Gleichgesinnte zum Fußball- oder Kartenspielen finden. Nachbarn in der Großstadt über das Internet vernetzen, sodass sie im realen Leben in Kontakt kommen, ist die Idee der Macher der kostenlosen Plattform nebenan.de. Klingt vielleicht ambitioniert. Doch das Unternehmen der Berliner Gründer scheint bundesweit den Zeitgeist getroffen zu haben. Nach gut drei Jahren sind deutschlandweit fast eine Million Nutzer aktiv. Längst ist das Phänomen aus den Zentren der Großstädte auch in die Außenbezirke vieler Städte geschwappt. Auch im Stuttgarter Norden steigt die Zahl der Nutzer. Denn wer kennt schon jeden seiner Nachbarn oder weiß gar über dessen Hobbies und Bedürfnisse Bescheid.

 

Vor kurzem fanden viele Zuffenhäuser einen Flyer in ihren Briefkästen. Auf dem war zu lesen:„Hallo liebe Nachbarn in Zuffenhausen-Mönchsberg, seit einiger Zeit sind immer mehr deiner Nachbarn auf nebenan.de aktiv.“ 87 Nachbarn seien schon dabei, kurze Zeit nach der Flyeraktion waren es schon 119.

21 000 Nutzer in 82 Nachbarschaften

„Ich hatte auch einen Flyer im Briefkasten“, sagt Manfred Hägele. Doch der Hobbyimker aus Zuffenhausen war längst Mitglied. Er nutzt den Marktplatz des Portals, um seinen regionalen Honig zu verkaufen. denn neben Gruppen zu gründen oder Veranstaltungen zu posten, kann man auch Dinge verschenken, verkaufen und Gesuche aufgeben. Auch darüber lernt man seine Nachbarn kennen, denn das Prinzip von nebenan.de ist, dass sich in der jeweiligen Nachbarschaft auch nur Bewohner eben dieser registrieren. Tatsächlich sei auch schon jemand aus der Nachbarschaft so auf ihn aufmerksam geworden und habe Honig gekauft. „Intensiv nutzen tue ich das Portal aber nicht“, sagt er. Er habe ein gutes Netzwerk und sei mit seinen Hobbies gut beschäftigt. Doch um Leute aus der Nachbarschaft kennenzulernen, sei es eine gute Möglichkeit. Unter den neuen Nutzern hat er auch einen Arbeitskollegen entdeckt.

Laut Hannah Kappes, der Sprecherin des Berliner Sozialunternehmens „Good Hood“, das das Portal betreibt, sind in Stuttgart aktuell rund 21 000 Nutzer in 82 Nachbarschaften aktiv. „Stuttgart liegt im Deutschlandvergleich auf Platz sechs der aktivsten Städte“, sagt sie. 2017 hat das Unternehmen auch die gleichnamige Stiftung gegründet. Diese verleiht den mit mehr als 50 000 Euro dotierten Deutschen Nachbarschaftspreis, „eine bundesweite Auszeichnung für all diejenigen, die sich vielerorts als Nachbar für Nachbarn einsetzen“, heißt es auf der Internetseite.

Konzept von nebenan.de gibt es im Kleinen bereits

Dafür beworben hat sich Ute Dümcke mit ihrer Initiative „Generation 50Plus“. Die Kassiererin des Bürgervereins Zazenhausen hat das Nachbarschaftsnetzwerk, das unter dem Dach des Bürgervereins beheimatet ist, vor drei Jahren gegründet. Dem Netzwerk nebenan.de steht sie noch etwas skeptisch gegenüber, es laufe zu viel übers Internet, und zumindest im Zuffenhausen würde es zu stark als Verkaufsplattform genutzt. Doch schaut man in andere Stuttgarter Stadtteile und Bezirke so finden sich dort Sportgruppen und Nachbarschaftsinitiativen, die etwa Obdachlosen helfen oder gemeinsam Volleyball spielen.

Mit ihrem eigenen Netzwerk ist Ute Dümcke der Idee von nebenan.de daher nicht unähnlich, auch wenn es mit einer Nominierung zum Preis nicht geklappt hat. Jeden dritten Dienstag im Monat trifft sich die mittlerweile auf 30 Personen angewachsene Gruppe im Alter zwischen 51 und 81 Jahren im Paulusstüble zum Austausch oder man unternimmt Ausflüge. „Viele sind in Rente, haben den Partner verloren oder die Kinder sind aus dem Haus“, sagt sie. In solchen Situationen merke man schnell: „Was nutzt mir mein weltumspannendes Netzwerk, ich brauch in dieser Lebensphase Menschen in meinem Umfeld.“