An der Haltestelle Charlottenplatz oder Schlossplatz ein Video zu streamen, ist ziemlich mühselig. Zumindest der LTE-Ausbau in Stuttgart steht laut Netzbetreiber Vodafone nun in den Startlöchern.

S-Mitte - Wer aus dem Urlaub oder von einer Geschäftsreise in eine europäische Großstadt zurückkehrt und in der Stadtbahn zum Smartphone greift, dem dürfte auffallen, dass in Stuttgart etwas anders läuft. Um Datenvolumen zu sparen, lohnt es sich, in vielen Städten unterwegs in Bus oder Bahn nach einem öffentlichen WLAN zu suchen. Es steht Einheimischen wie Touristen in der Regel kostenlos zur Verfügung. An unterirdischen Haltestellen wie am Schlossplatz oder in Tunneln der Stadtbahn werden Touristen dagegen nicht fündig, wenn sie sich in ein freies Netzwerk einloggen wollen.

 

Offenes WLAN ist technisch möglich

Thomas Renger vom Verein Freifunk Stuttgart aber vertritt die Ansicht, dass es nicht schwierig wäre, Stadtbahnen oder Haltestellen mit WLAN auszustatten. Um Kunden diesen Service anzubieten, müsste die SSB AG lediglich vorhandene Netzwerke der Fahrautomaten oder der digitalen Informationstafeln öffnen. Das sei technisch relativ einfach möglich. Entscheidend seien seiner Meinung nach eher Sicherheitsbedenken: „Die Verantwortlichen fragen dann gleich, was die Leute alles anstellen könnten, wenn sie Zugang zu ihrem Netz haben.“

Backnang entschied sich gegen Freifunk

Erst jüngst entschied sich Backnang gegen ein öffentliches WLAN am Bahnhof. Die Initiative Freifunk wollte es einrichten. „Da gab es dann die Befürchtung, dass zu viele Leute am Bahnhof runsitzen, um kostenlos zu surfen und dabei Party machen“, sagt Renger.

Im eigenen Netz zu surfen oder zu streamen könnte dagegen schon bald im Streckennetz der SSB kein Problem mehr sein. Die Netzbetreiber installierten von Sommer an unter Führung des Unternehmens Vodafone die mobile Breitbandtechnologie LTE im Streckennetz der Stadtbahnen, erklärt der Konzernsprecher Volker Petendorf. Die erste Ausbaustufe beginne demnach im Juli in der Innenstadt.

GMS gibt es seit 2006

Die Strecken der SSB sind seit der Fußballweltmeisterschaft 2006 mit den Mobilfunkstandards GMS und 3 G UMTS ausgestattet. Die Geschwindigkeit bei der Datenübertragung beträgt nur einen Teil des heute Möglichen. Petendorf verspricht, dass SSB-Kunden auf einer Tunnelstrecke von 25 Kilometern Länge und an allen Stadtbahnhaltestellen künftig 150 Megabyte pro Sekunde zur Verfügung stünden. „Dank LTE können die Nutzer zum Beispiel HD-Filme blitzschnell downloaden“, meint der Vodafonesprecher. Er verspricht außerdem eine bessere, „kristallklare“ Qualität bei Handygesprächen.

Firmen haben aus Sicht des Freifunkaktivisten Thomas Renger ein großes Interesse an einer guten Netzqualität in öffentlichen Verkehrsmitteln. Er verweist auf das Verhalten der Kunden. Sie griffen gerade im Bus oder in der Bahn gerne zum Smartphone, um sich Zeit zu vertreiben. „Es gibt doch keinen besseren Ort, um ein Video anzuschauen“, sagt er. „Und wenn dann viel Datenvolumen verbraucht wird, freut das die Unternehmen“, sagt der Freifunkaktivist. Er könnte sich übrigens vorstellen, Partner der SSB für ein öffentliches WLAN zu werden. So würden SSB-Kunden vor einem Ausreizen ihres vertraglichen Datenvolumens bewahrt. Allerdings: „Wir wurden bisher nicht gefragt.“

Tourismuschef fordert Ausbau

Armin Dellnitz, Geschäftsführer der Stuttgarter Marketing GmbH, argumentiert mit der Erwartungshaltung ausländischer Gäste für ein öffentliches WLAN im Streckennetz. Sie würden davon ausgehen, dass im deutschen Nahverkehr das Internet so funktioniere wie in den Heimatländern. Zwar habe er bisher keine Beschwerden gehört, räumt Dellnitz ein. Dennoch müsse die Stadt sich messen lassen an dem Standard in vergleichbaren Städten in Europa, findet der Tourismuschef. „Es ist nicht spezifisch für Stuttgart, aber leider für ganz Deutschland, dass wir beim öffentlichen WLAN hinter anderen zurückliegen“, sagt Dellnitz.

Er verweist auf steigende Zugriffsraten beim kostenlosen öffentlichen WLAN „free-wifi-Stuttgart“. „Wir sehen dadurch, wie groß der Bedarf ist“, sagt Dellnitz. „Ich glaube aber, dass die SSB da dran ist“, so der Tourismuschef.

Bundesamt sieht derzeit keine Gefahr

Der Mobilfunkkritiker Peter Hensinger fordert hingegen mehr Rücksicht auf Elektrosensible bei etwaigen Planungen. „So wie es früher Raucherabteile gab, sollte es heute WLAN-freie Waggons geben, in denen auch das Handy aus bleibt“, sagt er. Hensinger verweist auf eine mögliche Gesundheitsgefahr durch hochfrequente elektromagnetische Felder.

Das Bundesamt für Strahlung sieht nach derzeitigem Wissensstand keine Gefahr durch WLAN oder Handynetze. Die Behörde rät aber dazu, die persönliche Strahlenbelastung so gering wie möglich zu halten. Denn bisher nicht erkannte Gesundheitsrisiken seien nicht ausgeschlossen. Ab und an in der Bahn oder dem Bus zu analogen Medien wie Buch oder Zeitung statt zum digitalen Smartphone zu greifen, könnte demzufolge kein Schaden sein.