Die Linke will das Schwarzfahren entkriminalisieren und hält dieses als politische Aktion für legitim. Auf der anderen Seite des Parteienspektrums spricht man von der Schädigung des Rechtsstaates.

Lokales: Mathias Bury (ury)

Stuttgart - Die Initiative Freifahren Stuttgart hat Sinn für Ironie. Ihr Logo mit dem orangefarbenen Ring ähnelt dem des Verkehrs- und Tarifverbunds Stuttgart (VVS). Von einem gewissen Witz zeugt auch das Kürzel „ffs“, was für „frei fahren stuttgart“ steht. Doch nicht alle in der Kommunalpolitik finden das lustig.

 

Die Initiative fordert einen kostenlosen ÖPNV. Vor allem aber halten ihre Anhänger offenes Schwarzfahren für ein legitimes politisches Druckmittel im Streit über eine Verbesserung des Nahverkehrs. Zum Politikum wurde dies, seit Vertreter der Fraktion SÖS/Linke-plus im Rat sich mit der Gruppe solidarisiert und deren gekennzeichnetes Schwarzfahren als Aktion des zivilen Ungehorsams verteidigt haben.

„Unser Rechtsstaat ist kein Wunschkonzert“, ärgert sich Klaus Nopper von der CDU im Rat über die Haltung der Linksfraktion. Dieser „selektive Umgang“ mit dem Recht nach „subjektivem Gusto“ schädige nicht nur die städtische Verkehrstochter SSB, sondern vor allem den Rechtsstaat, sagt Nopper, der Anwalt ist und dem SSB-Aufsichtsrat angehört. Das Vorgehen betrachtet der CDU-Stadtrat als typisch für die Linke, die, mal streng, mal lax, mit den Gesetzen umgehe, wie es ihr eben so in den politischen Kram passe.

Widerspruch zum Gleichheitsgrundsatz

Ähnliches ist aus der Stadtverwaltung zu hören. „Das ist Unfug“, sagt Herrmann Karpf, der Sprecher von Ordnungsbürgermeister Martin Schairer. Schwarzfahren, ob gekennzeichnet oder nicht, sei „grob sozialschädlich und verstößt gegen den Gleichheitsgrundsatz“, kritisiert Karpf.

Dass durch Schwarzfahrer ein wirtschaftlicher Schaden entsteht, haben die Verkehrsbetriebe immer wieder deutlich gemacht. So hat der VVS für 2016 Einnahmeausfälle von 16,5 Millionen Euro errechnet. Immerhin geht in Stuttgart die Zahl der bei Kontrollen erwischten Schwarzfahrer seit wenigen Jahren zurück. Laut SSB hat man 2017 rund 49 000 Fahrgäste ohne Ticket erwischt, „rund ein Sechstel weniger als 2015“, sagt SSB-Sprecherin Birte Schaper. Eine Grund könnte sein, dass seither 60 Euro statt vorher 40 Euro fällig werden.

Falschparken ist billiger

Thomas Adler, Fraktionssprecher von SÖS/Linke-plus, kann die Aufregung nicht verstehen. Er habe nicht zum Schwarzfahren aufgefordert. „Das wäre nicht vertretbar“, sagt Adler. Er habe lediglich erklärt, dass er persönlich Schwarzfahren „als sichtbare politische Aktion zur Erreichung des Ziels eines ticketlosen Nahverkehrs“ für legitim halte. „Das wäre ein wichtiger Schritt für die Verkehrswende.“

Grundsätzlich ist der Linken-Stadtrat für die Entkriminalisierung des Schwarzfahrens. So hat die Bundestagsfraktion der Linken Anfang März einen Gesetzentwurf formuliert, nach dem Schwarzfahren als Tatbestand aus dem Strafgesetzbuch gestrichen würde. Derzeit droht Schwarzfahrern wegen des Erschleichens von Leistungen im Wiederholungsfall und wenn nicht bezahlt wird eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr. Falschparken sei nur eine Ordnungswidrigkeit, betont Adler. Der SUV-Fahrer, der den Wagen anderer behindernd abstelle, bekomme ein Bußgeld, was oft nur zwischen 15 bis 25 Euro liege. Gemessen daran seien die Strafen für Schwarzfahrer „völlig unverhältnismäßig“, so Adler.