Bezahlbare Wohnungen in Stuttgart sind Mangelware. Unter diesem Druck will die Stadtverwaltung in Bad Cannstatt deutlich mehr Wohnraum schaffen, als sich der Öffentlichkeit bisher erschlossen hat. Es gibt aber Bedenken dagegen.

Stuttgart - Bei der Entwicklung des Neckarparks als Wohn- und Gewerbestandort knirscht es mächtig. Am Freitag hat der städtische Wirtschaftsausschuss zwar der Ausschreibung der Parzelle Q5 zugestimmt, auf der viele geförderte Wohnungen entstehen sollen; dafür musste sich die Mehrheit allerdings über das ablehnende Votum des Bezirksbeirates und die Bedenken von SÖS/Linke-plus hinwegsetzen. Die Teilausschreibung der Parzelle Q10 stellte auch er zurück, weil unklar ist, wie viel Platz das geplante Bildungshaus erfordert.

 

Das Konzept der Bildungsbürgermeisterin Isabel Fezer (FDP) hatte die Verwaltung bewogen, den südlichen Teil von Q10 für Gewerbe freigeben zu wollen. Doch im Gemeinderat – und auch in der Verwaltung – gibt es wieder Zweifel. Vielleicht müsse man auch noch Räume für die Volkshochschule vorsehen, sagte Andrea Münch (Grüne) – wenn das Alte Zollamt nicht erweitert werden könne. Dessen Aufstockung sei aus Gründen der Statik problematisch, deutete Wirtschaftsbürgermeister Michael Föll (CDU) an, zudem müsste die Kulturinsel, die man erhalten wolle, ein bis zwei Jahre ausziehen. Marita Gröger (SPD) hatte bezüglich der Teilausschreibung von Q10 auch Bedenken, jedoch weniger wegen der VHS, denn die würde die SPD lieber im Bereich Elwertstraße sehen; Gröger ging es eher um das rechte Maß für das Bildungshaus. Früher einmal habe die Verwaltung von einer Leuchtturm-Einrichtung gesprochen, den Leuchtturm dann aber wieder abgeräumt, bedauerte Gröger.

850 Wohnungen und 130 Kleinapartments werden angepeilt

Muss der Bedarf an Schulen und Kitas nach oben korrigiert werden? Das Wohnbauprojekt im Neckarpark fällt jedenfalls unerwartet groß aus – viel größer, als bisher bekannt wurde. Offenbar ist es jahrelang kleingeredet worden. Zunächst waren gut 600 Wohneinheiten im Gespräch gewesen. Das löste bei der CDU und in Bad Cannstatt größte Bedenken aus. Danach wurde jahrelang die Zahl 450 gehandelt. Jetzt steht in städtischen Beschlussvorlagen beiläufig, dass „die fortgeschriebene städtebauliche Planung von circa 850 möglichen Wohneinheiten ausgeht“. Dazu, verlautet aus der Bauverwaltung, seien auch noch 130 Apartments beispielsweise für Studierende im Gespräch.

Rund 1000 Wohneinheiten, außerdem eine 80-prozentige Quote von Sozialmietwohnungen im Gebiet Q5: Dieses Vorhaben behagt insbesondere den Bezirkspolitikern in Bad Cannstatt überhaupt nicht. Da werde eine sehr hohe Baudichte befürchtet, und es kursiere Angst vor minderwertiger Qualität der neuen Wohnviertel, sage Beate Bulle-Schmid (CDU), deren Fraktion aber geneigt scheint, den Weg freizumachen: „Das Baugebiet muss jetzt endlich in Fahrt kommen.“ Ihre Grünen-Kollegin Münch versuchte die Sorgen zu zerstreuen. Tatsächlich schaffe man nur 40 Prozent Sozialwohnungen auf dem Q-5-Areal, denn bei den anderen 40 Prozent soll es um mittelbare Belegung gehen: Die Wohnungsbaubesellschaften aus dem Stuttgarter Bündnis für Wohnungen, die sich als die einzigen um Bauflächen auf Q5 bewerben dürfen, können vakante Wohnungen aus ihrem Bestand an anderen Standorten zu Sozialwohnungen erklären.

Bürgermeister Föll warnt vor Wohnungsleerstand

Bürgermeister Föll sagte in Klartext, worum es geht: „Wir müssen hier eine hohe bauliche Dichte bei guter Qualität hinkriegen.“ Stuttgart habe großen Wohnungsbedarf und erlaube sich „so gut wie keine Außenentwicklung“ auf der grünen Wiese. Beim Zeitplan für die Schule und die Gewerbeebauten, die Lärm von den Hauptstraßen und vom Cannstatter Wasen von den Wohnungen abhalten sollen, sei man schon in Verzug. Föll sieht sogar die Gefahr, dass zuerst Wohnungen fertig sind und nicht bezogen werden dürfen, weil das Baurechtsamt wegen des Lärmes „keine Nutzungsfreigabe erteilt“. Seine Forderung: „Vor Ostern müssen wir klare Entscheidungen über das Bildungshaus und das Gelände Q10 haben.“