Mit wem sollte Winfried Kretschmann, der klare Sieger der Landtagswahl, künftig koalieren? Wir haben Promis in Stuttgart und in der Region dazu befragt. Ihre Forderung: Die neue Regierung sollte mehr für die Kultur tun als bisher.

Stuttgart - Während am Abend allenthalben heftig spekuliert wird, mit wem der Wahlsieger Winfried Kretschmann (Grüne) künftig regiert, sagt Musicalstar Maximilian Mann, die Frage der Koalition sei für ihn „zweitrangig“. Der Hauptdarsteller von „Aladdin“, der wegen Corona seit einem Jahr nicht mehr auftreten kann, wünscht sich von der Wiederwahl des Grünen, dass sich dieser stärker als bisher für die Kultur- und Veranstaltungsbranche einsetzt, in der Existenzen bedroht seien. Diese wichtigen Teile der Gesellschaft dürften nicht „länger mit einem bedauernden Schulterklopfer“ abgetan werden, fordert Mann: „In welcher Koalition dieses Ziel besser durchgesetzt werden kann, muss gut überlegt werden.“

 

„Vielleicht ist ein eingespieltes Team in diesen Zeiten gut“

Der Behindertensportler Niko Kappel, Paralympics-Sieger im Kugelstoßen, ist „als CDU-Mitglied selbstverständlich enttäuscht“. Die letzten Tage und die Korruptionsskandale hätten „uns leider noch mal einige Prozentpunkte gekostet“.

Die Kabarettistin Tina Häussermann ist über das Wahlergebnis „nicht sehr überrascht“. Nichtsdestotrotz freut sie sich, „dass wir ein grün regiertes Bundesland bleiben“. Froh ist sie, „dass ich jetzt nicht entscheiden muss, ob es eine Kiwi- oder eine Ampelkoalition geben wird.“ Vielleicht sei ein „eingespieltes Team in diesen Zeiten gut“, findet sie – und meint damit Grün-Schwarz.

Auch der Winzer Thomas Diehl hat mit Kretschmanns Sieg gerechnet. Zum „charismatischen Kandidaten der Grünen“ sei die „Thematik mit den Masken“ hinzugekommen. „Das ist peinlich für die CDU“, findet er. Eisenmanns Wahlkampf sei auch „nicht gerade ideal“ gewesen.

„Eine neue, frische Koalition ist besser als eine verbrauchte“

„Gut gemacht, Kretsche“, lobt der Theaterhaus-Chef Werner Schretzmeier. Mit zwei Koalitionsmöglichkeiten könne der neue und alte MP die Sache „entspannt“ angehen. Eine „neue, frische Koalition“ sei für das Land vielleicht besser als eine „verbrauchte“, glaubt Schretzmeier. In der CDU, erwartet er, würden nun „alte Rechnungen“ beglichen. Als Wahlverliererin habe Susanne Eisenmann die Macht in ihrer Partei verloren, aber auch Thomas Strobl stehe „nicht für einen Neuanfang“.

Timo Steinhauer, der Chef des Friedrichsbau-Varietés, kommentiert den Ausgang der Wahl so: „Die starke Popularität von Kretschmann und sein gutes Krisenmanagement sind der ausschlaggebende Punkt für das gute Ergebnis der Grünen. Ich hoffe, dass mit Petra Olschowski eine Kulturexpertin in den Landtag einziehen darf. Unsere Branche wird auch in den nächsten Jahren noch eine starke Fürsprecherin brauchen! Die AfD hat an Stimmen verloren, das ist eine gute Nachricht. Allerdings noch nicht genug! Hier hätte ich mir ein deutlicheres Signal für unsere Demokratie gewünscht.“

„Never change a running system“

Neben den Grünen sieht Ringer-Weltmeister Frank Stäbler die FDP als Sieger der Wahl. „Für die CDU ist dieser Abend sehr schmerzhaft“, sagt er. Welche Koalition sich der Sportler wünscht, behält er für sich und sagt nur so viel: „Ich bin gespannt auf die Regierungsbildung.“

Andreas „Bär“ Läsker, der Manager der Fantastischen Vier, ist mit dem Wahlergebnis „ganz zufrieden“. Er glaubt, dass es mit Grün-Schwarz im Land weitergeht, weil Kretschmann „nicht ein neues Fass“ aufmachen will. „Never change a running system“, laute die Devise. Die Wahl werde sich „nur bedingt“ auf die Entscheidung für Berlin auswirken, erwartet Bär.

„Hab mich spontan im Wahllokal der Stimme enthalten“

Die Künstlerin Christa Winter sieht im schlechten Abschneiden der CDU eine Chance: „Egal, um welche Partei es sich handelt, das Vertrauen in die Politik hat sich grundsätzlich eingetrübt. Die CDU hat nun die Chance, wieder mit frischer, befreiter Energie benötigte Lösungen anzupacken. Von einer neuen Regierung wünsche ich mir die Erkenntnis, dass Kultur und bildende Kunst mit ihrer Innovationskraft genauso fundamental angesehen werden wie Wirtschaft und Technologie. Mit einem neuen Pakt beider Seiten ließen sich in Stadt und Land auch optisch neue künstlerische Zeichen setzen.“

Michael Zeyer, früherer Fußballprofi und heute Gastronom mit dem „5“ ist vom Wahlergebnis nicht überrascht: „Wir sind in einem opportunistischen Zeitalter. Politiker mit Überzeugungen haben es schwer. Entscheidend ist nicht die sachliche Richtigkeit von Entscheidungen, sondern ob sie mehrheitsfähig sind. Ich wollte nach sehr langer Zeit wieder wählen. Spontan habe ich mich dann im Wahllokal der Stimme enthalten, weil ich insbesondere in der aktuellen Krise, aber auch für die kommenden Krisen bei keiner Partei das Gefühl hatte, das Richtige zu tun.“

„Kultur muss künftig stärker berücksichtigt werden“

Michaela Russ von der Konzertagentur SKS Russ fragt sich: „Was soll nun werden aus diesem nicht wirklich überraschenden Wahlausgang? Ich erwarte nun einen entschiedenen Einsatz unserer Landesregierung zum Abbau der Bürokratie, damit zunächst einmal die Impfkampagne pragmatisch und mit höherer Effizienz als bisher weitergeführt wird und wir danach unter realistischen Vorgaben wieder an unsere Arbeit gehen können. Verantwortung muss übernommen und eine realistische, zuverlässige Perspektive für das kulturelle und gesellschaftliche Leben eröffnet werden. In diesem Sinne: weitermachen, ja – aber nicht einfach „weiter so“!“

Die Opernsängerin Helene Schneiderman hat sich über das Wahlergebnis gefreut, „weil die AfD trotz der Coronamaßnahmen deutlich an Stimmen verloren hat. Das ist mir sehr wichtig. Ich freue mich, dass wir hier in Deutschland mehr als zwei demokratische Parteien zur Auswahl haben, die miteinander koalieren können. Ich wünsche mir von der neuen Landesregierung, dass die Kultur bei den Diskussionen über Lockerungsmaßnahmen stärker berücksichtigt wird. Die Menschen brauchen Musik, Theater, Oper und Ballett!“

„Ich wünsche mir einen Abbau der Bürokratie“

Werner „Sloggi“ Find, der Gründer der Disco Boa, meint, dass die Grünen weiterhin mit ihrem Kretschmann-Bonus punkten konnten. „Die CDU ist der herbe Verlierer und hatte keine Mittel und Wege, vor allem die jüngeren Wähler zu überzeugen. Ich bin auf die Koalitionsverhandlungen gespannt, denn die Karten werden neu gemischt.“

Simone Schüle, die Cheforganisatorin des Landespresseballs gratuliert dem Schirmherrn Winfried Kretschmann zum Wahlsieg. „Als Geschäftsführerin einer Eventagentur wünsche ich mir von der neuen Landesregierung eine zuverlässige Perspektive für die Veranstaltungs- und Kulturwirtschaft. Alle Akteure dieser Branchen zeigen seit Beginn der Pandemie die Flexibilität und Bereitschaft, in neuen Konzepten zu denken und diese auch umzusetzen. Ich wünsche mir einen Abbau der Bürokratie, die Digitalisierung der Verwaltung sowie die Förderung von Frauen, die den Schritt in die Selbstständigkeit wagen.“