Ist es eine Zäsur, dass der FDP-Politiker Thomas Kemmerich mithilfe der AfD zu Thüringens Ministerpräsident gewählt wurde? Auch in Stuttgart zerbricht sich die Politik darüber den Kopf – und kommt zu ganz unterschiedlichen Einschätzungen.

Digital Desk: Sascha Maier (sma)

Stuttgart - Wie ist es zu bewerten, dass Thomas Kemmerich mithilfe der AfD, nein, mithilfe von Rechtsaußen Björn Höckes AfD, zu Thüringens Ministerpräsidenten geworden ist? Wie ist es zu bewerten, dass die CDU die Entscheidung letztlich mitgetragen hat? Wie ist es zu bewerten, dass Kemmerich die Wahl angenommen hat? Diese Fragen beschäftigen nicht nur Thüringen, sondern ganz Deutschland – und auch in Stuttgart sind Kommunalpolitiker deswegen in Aufregung.

 

Besonders gilt das für die FDP, die jetzt eine funktionierende Regierung bilden soll und sich die Frage über ihre Identität gefallen lassen muss. „Niemand ist glücklich im Kreisverband der FDP“, sagt der Stuttgarter Kreis-Chef der Liberalen, Armin Serwani. Er selbst glaubt, dass es Neuwahlen geben werde, wenn SPD und Grüne sich querstellen, denn „irgendeine Zusammenarbeit mit der AfD“ werde es in Thüringen nicht geben. „So gut kenne ich Thomas Kemmerich“, sagt er über seinen Parteikollegen.

Thraso Malliaras, der neue Vorsitzende der Jungen Union (JU) in Stuttgart, sieht die CDU nicht daran beteiligt, an einem etwaigen politischen Dammbruch mitzuwirken. „Wir sind nicht für das Stimmverhalten der AfD verantwortlich“, sagt er. Es sei ein liberaler Kandidat, der da gewählt wurde und das müsse respektiert werden. „Im Grundsatz gilt unser Unvereinbarkeitsbeschluss, mit der Linken oder der AfD zusammenzuarbeiten“, sagt Malliaras, „wen hätte die CDU denn sonst wählen sollen?“

Demo in Stuttgart angekündigt

Der ökosoziale Stuttgarter Stadtrat Luigi Pantisano, der jetzt bei der Oberbürgermeisterwahl in Konstanz kandidiert, kann dieser Argumentation in keiner Weise folgen. „In Thüringen haben die FDP und CDU sich mit dem Faschisten Höcke und der AfD verbündet, um Kemmerich zum Ministerpräsidenten zu wählen und damit Ramelow zu verhindern“, sagt er. Das sei ein unverzeihlicher Tabubruch von seitens der FDP, der die Gesellschaft in den Abgrund zu stoßen drohe.

Auch die Stuttgarter SPD-Stadträtin Lucia Schanbacher ist entsetzt von der politischen Lage, in der sich Thüringen befindet. „Wie kann man sich 75 Jahre nach Auschwitz von den Stimmen der AfD wählen lassen?“, fragt sie ihr Publikum bei Instagram. „Den Blumenstrauß schmeiße ich auch!“, so Schanbacher in Anlehnung an eine Aktion der Thüringer Linken-Landeschefin Susanne Henning-Wellsow

Damit ist die Frage um Thüringen noch lange nicht ausdiskutiert. Der Konflikt wird in Stuttgart auf die Straße getragen. Am Donnerstag haben Linke eine Demo angekündigt – um 17.30 Uhr vor der FDP-Landeszentrale an der Stadtbahnhaltestelle Milchhof.