Beim Stuttgarter Stadtspaziergang erklärt Bienenexperte Tobias Miltenberger, warum Feinstaub die kleinen Nektarsammler stresst. Die mehr als 40 Zuhörer erfahren, dass es Bienen in der Stadt heute seiner Meinung nach trotzdem besser geht als auf dem Land.

Stuttgart - Langsam nähert sich Bio-Imker Tobias Miltenberger mit dem Räucherkännchen den Waben im Bienenkasten. Mit einem leisen Surren huschen die kleinen Tierchen blitzschnell in die Tiefen des Kastens. „Ich würde auch verschwinden, wenn ich so eingeräuchert wurde“, sagt ein Zuhörer mit Augenzwinkern. Doch Miltenberger erklärt den mehr als 40 Teilnehmern des Stadtspaziergangs von Stuttgarter Zeitung und Stiftung Geißstraße: „Der Rauch, den ich mache, simuliert einen Brand.“ Wenn die Bienen den Qualm riechen, würden sie vorsorglich Honig in den Magen aufnehmen - und dadurch ruhiger werden. Dabei seien sie ohnehin „sehr sanftmütig“.

 

Zwei Bienenstöcke stehen auf der Dachterrasse des Königin-Olga-Stifts. An diesem Samstagmorgen scheint die Sonne auf die Einfluglöcher, es herrscht ein munteres Kommen und Fliegen. Gespannt verfolgen die Zuhörer, wie Miltenberger die Einschübe herausnimmt, an denen die Bienen wie in Trauben hängen. Er erklärt, wie die Tierchen ihre Waben bauen, wie der Nachwuchs heranwächst und was die Königin zur Königin macht.

Wie hier, auf dem Dach der Schule, stehen inzwischen in vielen Hinterhöfen, Gärten und Parks der Stadt Bienenkästen. Den Stadtbienen, so erklärt der Demeter-Imker, gehe es besser als den Landbienen. Die Landwirtschaft sei fast nur noch auf Fleischproduktion ausgelegt, Bienen und Schafe spielten so gut wie keine Rolle mehr.

Tiere stehen unter Stress

Und wenn doch, dann sei der Stress für die Tiere groß. Während sich der erwartetet Milchertrag in den vergangenen Jahrzehnten mehr als verdoppelt habe, habe sich der erwartete Honigertrag bei Bienen sogar fast verfünffacht. Viele der Prozesse würden durch Hilfsmittel beschleunigt und seien damit nicht mehr natürlich.

In ihrem biologischen Imkerbetrieb „Summtgart“ setzten sie dagegen auf Natürlichkeit, betont Miltenberger. Die Bienen dürften sich die Waben selbst bauen, auch wenn das mehr Zeit brauche. Dass ein Volk mal fliegen geht, nehme er billigend in Kauf - und fange es dann halt in der Nachbarschaft irgendwo wieder ein. Zudem würden sie den Bienen möglichst viel eigenen Honig lassen. „Wir wollen den Druck so gering wie möglich halten“, betont er. Folge sei, dass sie manchmal wegen ihrer geringen Erträge von anderen Imkern belächelt würden.

Das Königin-Olga-Stift ist bereits der Schlusspunkt der Tour. Vorher führt der Spaziergang vom Bismarckturm an Miltenbergers Wohnhaus vorbei und über die Johannesstraße. Der Fachmann spricht über Hummeln, die auf der Roten Liste stehen und deren Nester nicht entfernt werden dürfen. Er zeigt, in welchen Hausfassaden sich Mauerbienen gern einnisten. Und er schwärmt von den großen Lindenbäumen. Ihre Läuse bereiteten zwar den Autofahrern wegen der Klebringen Hinterlassenschaften auf Dach und Scheiben manchmal Verdruss, doch ihr „Honigtau“ komme wieder den Bienen zugute. „Da saust und braust es nur so.“

Der Honig ist nicht schadstoffbelastet

Angst vor belastetem Honig müssten die Verbraucher bei den Stadtbienen nicht haben, versichert der Fachmann. Bei ihrem Biobetrieb würden regelmäßig Honig und Wachs der Bienenvölker überprüft, und es gebe keine Beanstandungen. Die Bienen hätten einen Ventiltrichter im Körper, mit dem sie eine eigene Filterung durchführt. Trotzdem sei Feinstaub ein Problem. „Die Insekten finden dadurch schlechter zu den Blüten.“

Rund zweieinhalb Stunden dauert die Bienenexkursion an diesem Vormittag. Zum Abschluss dürfen die Teilnehmer noch fünf Summtgart-Honigsorten testen und ein paar Bienenblumensamen für den einheimischen Garten mitnehmen. Michael Kienzle, geschäftsführender Vorstand der Stiftung Geißstraße, kommt selbst ins Schwärmen von den eifrigen Honigsammler im Garten. „Man fühlt sich immer begrüßt von etwas Lebendigem.“

Zwei weitere Spaziergänge der Reihe „Mein Stuttgart“ sind bereits geplant: Am 18. Juni spricht Friedrich Schirmer, früherer Intendant des Schauspiels am Stuttgarter Staatstheater, über „sein Stuttgart“ und am Samstag, 16. Juli, geht es mit Stadtdekan Søren Schwesig um die Reformation. Das Angebot ist sehr gefragt, berichtet Claudia Barth von der Stiftung Geißstraße. „In zwei Stunden war der Spaziergang voll“.