Klagen über die schleppende Arbeit der Stadtverwaltung sind in Mode. Am Beispiel der Baurechtsamts zeigt sich: Es gibt durchaus Gründe, warum nicht alles so läuft wie es sollte.

Stuttgart - Bauherren, Nachbarn, Architekten: Die Klagen über das Stuttgarter Baurechtsamt kommen aus allen Ecken, und das nicht erst seit den coronabedingten Einschränkungen beim Publikumsverkehr, sondern schon seit einigen Jahren.Erst kürzlich beklagte sich ein Auskunftswilliger über folgende lapidare Antwort des Amts auf sein Gesuch: „Das Baurechtsamt ist auf Grund der Corona-Pandemie derzeit geschlossen. Wann und unter welchen Bedingungen es wieder öffnet, ist noch nicht bekannt. Akteneinsichten oder allgemeine Auskunftsgespräche sind derzeit nicht möglich.“

 

„Ziemlich pampig“ fand das der besagte steuerzahlende Bürger. Die andere Seite der Medaille offenbarte jüngst die Chefin der Behörde, Kirsten Rickes, im Ausschuss für Stadtentwicklung des Gemeinderats. In ihrem Lagebericht, der von der CDU-Fraktion beantragt worden war, zeichnete Rickes ein schonungsloses Bild der Personal- und Bewerbungssituation in ihrem Amt, in dem rund 150 Beschäftigte arbeiten. Etwa zehn Prozent der Stellen sind zurzeit frei. Allein von den sechs im jüngsten Doppelhaushalt bewilligten zusätzlichen Personalstellen konnte erst eine einzige besetzt werden. 20 Mitarbeiter befänden sich in der Einarbeitung: „In Summe bedeutet das, dass ein Viertel der Stellen nicht beziehungsweise nicht produktiv besetzt sind“, so Kirsten Rickes.

Baurechtsamtsleiterin: Stellenbesetzungen sind ein stadtweites Problem

Die Lage an der Bewerberfront ist offenbar verheerend: Die Zahl der Bewerbungen auf Jobs im gehobenen oder höheren öffentlichen Dienst liege „im niedrigen einstelligen Bereich“, ein erheblicher Teil der Bewerber für Ingenieurstellen sei der deutschen Sprache nicht mächtig: „80 Prozent der Bewerber kommen aus dem arabischen Sprachraum“, so Rickes. Stellen müssten bis zu vier Mal ausgeschrieben werden, weil die Bewerber selbst Grundqualifikationen vermissen lassen: „Autoverkäufer und Bäcker müssen aussortiert werden.“ Hinzu komme, dass viele Bewerber entweder gerade ihren Abschluss gemacht hätten oder bereits um die 60 Jahre alt seien.

Auch die Einarbeitungszeit von neuen Kollegen durch angestammtes Personal führe infolge fehlender einschlägiger Baurechtskenntnisse zu Stress und Überlastung im Amt und in der Folge zu höheren Bearbeitungszeiten von Bauanträgen, mitunter auch zu Überschreitungen der Bearbeitungsfristen. Mitarbeiter wandern außerdem ins Umland ab, weil viele lieber näher an ihrem Wohnort arbeiteten und sich das Gehaltsniveau anderer Städte in der Region mittlerweile dem der Landeshauptstadt angeglichen habe. „Die Schwierigkeiten bei der Stellenbesetzung sind ein stadtweites Problem“, so Rickes. In der Vergangenheit hatten etwa die Ausländerbehörde, das Sozialamt, das Stadtplanungsamt und die KfZ-Zulassungsstelle mit personellen Probleme zu kämpfen.

Keine attraktiven Rahmenbedingungen für städtische Beschäftigte

Claudia Häußler, seit September die Vorsitzende des städtischen Gesamtpersonalrats (GPR), kann das nur unterstreichen. Zwar habe der Gemeinderat im Doppelhaushalt 2020/2021 erfreulicher Weise fast 900 neue Stellen genehmigt: „Aber neue Stellen genehmigen und das Personal dafür bekommen sind zwei paar Stiefel“, sagt Claudia Häußler. Die derzeitige Situation sei eine Folge der jahrelangen Sparpolitik. Unter dem früheren Finanzbürgermeister Michael Föll (CDU) sei der städtische Personalpool auf Verschleiß gefahren worden. „Jetzt sehen wir die Kollateralschäden“, so die GPR-Vorsitzende.

Kirsten Rickes vom Baurechtsamt hat für ihren Wirkungskreis noch ein weiteres Problem identifiziert: Trotz immer wieder angekündigter Entbürokratisierung hätten die Ämter nahezu im Wochenrhythmus mit neuen Vorschriften zu kämpfen - etwa bei Themen wie Energieeinsparung, Lärmschutz und E-Ladestationsnetz. Auch die Digitalisierung der Bauakten – aneinandergereiht 5,5 Kilometer lang – binde Ressourcen.

Befragung zur Kundenzufriedenheit: „Ergebnis wäre vorhersehbar“

Die Möglichkeiten zur Personalgewinnung sind beschränkt: Die Verwaltungsspitze tue sich schwer damit, eine ämterübergreifende Großstadtzulage zu gewähren. Preiswerte Wohnungen in Stuttgart seien kaum zu finden, attraktive Arbeitsplätze in modernen Bürogebäuden Mangelware, sagt die GPR-Vorsitzende Claudia Häußler.

Beispiel Baurechtsamt: Im Dienstgebäude Eberhardstraße 33 wird demnächst drei Jahre lang Geschoss für Geschoss saniert, die Beschäftigten müssen derweil mehrfach im Haus umziehen. Zudem fehlt auch das Personal für die Personalgewinnung, so Claudia Häußler.

In dieser Situation sei eine von der CDU vorgeschlagene Befragung zur Kundenzufriedenheit mit dem Service eher kontraproduktiv, meint Kirsten Rickes vom Baurechtsamt: „Das Ergebnis wäre vorhersehbar.“ Vermutlich müssen Kunden wohl noch eine Zeit lang mit jener Auskunft ihres Amtes leben, die den eingangs erwähnten Bürger vollends auf die Palme gebracht hat.