Für Ruth Maier und Henning Hiss vom Bürgerverein ist die Aufwertung der Feuerbacher Einkaufsstraße eine Herzenssache. Sie fordern neben der Stuttgarter Straße und den Plänen für den Grazer Platz, für deren Umsetzung nun der Technikausschuss grünes Licht gegeben hat, weitere Bereiche aufzuwerten. Georg Friedel

Feuerbach - Ruth Maier und Henning Hiss sind beim Thema Stuttgarter Straße schnell auf Betriebstemperatur. Die Ideen und Anregungen sprudeln nur so, wenn der ehemalige Ludwigsburger Stadtplaner und die Bürgervereinsvorsitzende bei Mineralwasser und Cappuccino im Eiscafé über die Entwicklungschancen von Feuerbach nachdenken. Beide sind im Vorstand des Bürgervereins und waren im Zukunftsforum Feuerbach aktiv, genauer gesagt in der Arbeitsgruppe „Städtebauliche Entwicklung“. Sie haben dort nicht nur für die Stuttgarter Straße und den sogenannten Grazer Platz gestalterische Vorschläge entwickelt, sondern auch für das ehemalige Fahrion-Areal, das Burgenlandzentrum, den Wiener Platz und das ehemalige Schoch-Areal. Ein ganzheitlicher Blick auf den Stadtbezirk ist ihnen sehr wichtig: „Die Stuttgarter Straße war früher schon die Hauptverkehrsstraße, aber sie war auch die Grenze des alten und dörflichen Teiles von Feuerbach. Später kam der städtische Teil mit dem Rathaus, der Festhalle, dem Leibniz-Gymnasium und mit den Querachsen hinzu“, sagt Maier, die seit 1948 in Feuerbach wohnt.

 

Hiss lebt seit Mitte der 1950er Jahre im Stadtbezirk. 26 Jahre hat er im Stadtplanungsamt Ludwigsburg gearbeitet. Den Fokus allein auf den Kreuzungs- und Platzbereich Stuttgarter/Grazer Straße zu richten, ist für Maier und Hiss eindeutig zu wenig. Es gehe auch darum, neben dem alten Charakter auch das neue, städtische Feuerbach nicht aus dem Blick zu verlieren, denn auch dort sei vieles verbesserungswürdig.

Der obere Teil der Stuttgarter Straße leidet

„Wobei ich nicht soweit gehen würde und sagen, dass das rote Gerüst auf dem Wilhelm-Geiger-Platz abgesägt gehört, so wie das jemand im Bürgerhaushalt vorgeschlagen hat. Aber ein neuer Anstrich wäre schon nötig“, sagt Hiss. Und was wäre sonst noch nötig? „Der Teil der Stuttgarter Straße, der oberhalb der Klagenfurter Straße liegt, der leidet“, sagt die Bürgervereinsvorsitzende und zählt ein halbes Dutzend leer stehender Geschäfte zwischen dem Staufeneckcenter und der Kreuzung Stuttgarter/Klagenfurter Straße auf. „Für die Ansiedlung neuer Geschäfte und den existierenden Einzelhandel gilt es, die Rahmenbedingungen zu verbessern, gerade die Gestaltung der Stuttgarter Straße ist da sehr wichtig“, ergänzt Hiss. Der Grazer Platz, wo sich mit der Stuttgarter und Grazer Straße zwei wichtige Achsen kreuzen, wäre ein „hervorragender Anfang“, um mehr Aufenthaltsqualität zu schaffen, sagt Hiss. „Aber auch die anderen Straßenkreuzungen müssen wir aufwerten.“ Man könne die Reihe vom Biberturm bis hinunter zur Leobener Straße fortführen.

Grünes Licht für die Pläne

Für die Umsetzung der Grazer-Platz-Pläne hat nun der Gemeinderat den Weg frei gemacht. „Der Ausschuss für Umwelt und Technik hat uns in der Sitzung am Dienstag beauftragt, nun in die vertiefte Planung einzusteigen“, sagt Stadtplaner Hermann-Lambert Oediger (siehe den Text unten). Wobei die zur Verfügung gestellten 500 000 Euro für die beabsichtigte Umgestaltung sicherlich nicht ausreichen: „Wir werden weitere Mittel benötigen“, sagt Oediger. Sein Vorschlag: Weitere 400 000 Euro im Rahmen des Konzeptes „Stadtteilzentren konkret“ für den kommenden Doppelhaushalt zu reservieren.

Der Leiter der Abteilung Stadtentwicklung beim Amt für Stadtplanung und Wohnen denkt schon weiter: Für die Kreuzung Stuttgarter/Klagenfurter Straße und den Platz beim Hirschbrunnen will die Verwaltung als nächstes Pläne entwickeln, rund 50 000 Euro sollen dafür als Anschubfinanzierung im kommenden Doppelhaushalt angemeldet werden. Plus 150 000 Euro für Projekte zur Wiederbelebung leerstehender Geschäfte. Diesen Vorschlag brachte Oediger diese Woche auch in den Bezirksbeirat Feuerbach ein. Dort ging es bei dem Thema teilweise turbulent zu, die Sitzung wurde unterbrochen, davor und danach wurde über den Sinn und Zweck der Maßnahmen heftig debattiert. CDU, FDP und AfD waren strikt gegen den von der Verwaltung vorgeschlagenen Einsatz der Mittel, Grüne, SPD und SÖS/Linke-plus votierten dafür. Am Ende befürwortete das Gremium bei sieben Ja-, fünf Neinstimmen und einer Enthaltung, dass die Mittel für den Haushalt 2020/21 angemeldet werden sollen.

Verkehrspolitische Zerreißprobe

Während das Thema Stuttgarter Straße für den Bezirksbeirat mehr und mehr zu einer verkehrspolitischen Zerreißprobe wird, weil die grundsätzlichen Haltungen einiger Fraktionen meilenweit auseinanderliegen, richten im Gegensatz dazu Maier und Hiss den Fokus eher auf die ganz konkreten stadtgestalterischen Defizite und deren Beseitigung. Denn da gäbe es viel zu tun. Zum Beispiel der Bereich zwischen dem Kelterplatz und der Stuttgarter Straße. Gleich hinter dem Hirschbrunnen und dem Dolce far niente befinden sich einige verfallende Gebäude. Hier könnte städtegestalterisch vieles verbessert werden – wenn die dortigen Immobilienbesitzer mitspielen. Davon profitieren könnte nicht zuletzt auch der Wochenmarkt auf dem Kelterplatz. Das dortige Angebot habe stark abgenommen, sagt Henning Hiss. Ein Grund dafür sei, dass „der Markt von der Stuttgarter Straße schlecht erreichbar ist“, sagt der frühere Stadtplaner. Fußwege fehlen.

Aufwertung des Burgenlandzentrums

Auch die Aufwertung und bessere Nutzung des Burgenlandzentrums wäre wichtig. Der Eingangsbereich in den Innenhof des Burgenlandzentrums von der Grazer Straße sollte freundlicher und heller gestaltet werden, findet Ruth Maier. Mit dem vielen Verkehr hat sie eigentlich keine Probleme: „Ich finde es nicht schlimm, wenn hier Autos fahren, sie müssen nur langsam fahren.“ Allerdings ist das Verkehrsaufkommen auf der Stuttgarter Straße groß: Rund 7000 Fahrzeuge rollen laut städtischer Zählungen pro Tag durch die Feuerbacher Haupteinkaufsstraße.

Wo schlägt das Herz des Stadtbezirks?

Klar ist: Hier auf der Stuttgarter Straße pulsiert das Leben, hier schlägt das Herz des Stadtbezirks. „Wir hatten mal mit dem Architekten Werner O. Schwarz eine Begehung durch Feuerbach“, berichtet Maier. Da habe er auf einen alten Stadtgrundriss ein Strichmännchen gemalt: „Das Rückgrat bildet die Stuttgarter Straße, die schräg nach oben zeigenden Arme bildeten die Zufahrtsstraßen nach Botnang und Weilimdorf und das Herz des Mannes umfasste den alten Ortskern mit der Kelter, der Stuttgarter Straße und verschiedenen Querstraßen. Diese nach wie vor gültige „Anatomie Feuerbachs“ habe Schwarz „mit diesem Männle unheimlich gut dargestellt“.

Das ehemalige Fahrion-Areal und der Wilhelm-Geiger-Platz

Am Ende der Achse Grazer Straße liegt das ehemalige Fahrion-Areal. Es gammelt eher vor sich hin, die Arbeitsgruppe „Städtebauliche Entwicklung“ hatte damals Pläne für das Gebiet entwickelt. Was wäre bei einem Kauf nicht alles möglich: Eine Sporthalle, eine Mensa, eine Kindertageseinrichtung auf einer Gemeinbedarfsfläche in Richtung Steiermärker Straße. Weiter oben Wohnen und umweltverträgliches und eingeschränktes Gewerbe als Abschirmung zu Bosch. Vielleicht gebe es ja jetzt „mit dem neuen Finanzbürgermeister die Chance, das Gelände zu erwerben“, sagt Hiss. Es wäre eine Riesenchance.

Auch dem etwa 400 Meter entfernten Wilhelm-Geiger-Platz mangelt es an Attraktivität: „Der Platz ist praktisch tot“, sagt Maier. Dabei könnte der Bereich vor dem Rathaus mit Leben gefüllt werden. „Dort fehlen Sitzbänke, man will offenbar nicht, dass sich die Menschen dort aufhalten.“ Das positive Gegenspiel sei der Emil-Schuler-Platz in Zuffenhausen, sagt die Bürgervereinsvorsitzende. Warum nicht auch in Feuerbach. „Denn wo ein Wille ist, ist auch ein Weg.“

Die Nagelprobe für die Stuttgarter Straße

Feuerbach - Mehrfach stand in den vergangenen Jahren die künftige Gestaltung der Feuerbacher Einkaufsmeile im Fokus der örtlichen Kommunalpolitiker und Stadtplaner. Im Februar dieses Jahres befasste sich der Bezirksbeirat erneut mit Plänen zur Umgestaltung der Kreuzung Stuttgarter/Grazer Straße. Der Versuch der Fraktionen einen gemeinsamen Kompromiss zu schließen, misslang erneut. Doch diesmal verständigten sich mehrere Betreuungsstadträte nach der Sitzung. „Wir haben gesagt: Lasst uns das Thema zurück in den Gemeinderat holen“, berichtet Stadträtin Suse Kletzin (SPD). Jürgen Zeeb (Freie Wähler) schrieb an Baubürgermeister Peter Pätzold. Er bat im Namen mehrerer Fraktionen, das Thema in einer der nächsten Sitzungen des Ausschusses für Umwelt und Technik (UTA) zu behandeln. Am vergangenen Dienstag stellte Rainer Wallisch vom Amt für Stadtplanung und Wohnen den Plan für „die Verkehrsplanung Stuttgarter Straße – Grazer Platz“ im UTA vor. Am Ende setzte sich eine knappe Mehrheit mit 9 zu 8 Stimmen (Bündnis 90/Die Grünen, SPD und SÖS/Linke-plus) durch und folgte dem Vorschlag der Verwaltung. 19 Parkplätze werden wegfallen, dafür sollen in der Grazer Straße vier neue geschaffen werden. Der Antrag von Jürgen Zeeb „mindestens vier bis fünf Parkplätze am Grazer Platz“ zu erhalten, fand bei 8 Ja- und 8 Nein-Stimmen plus einer Enthaltung keine Mehrheit.

Mehr Raum für Fußgänger und Radfahrer

„Diese Ecke kann nur gewinnen, wenn wir die Pläne der Stadtverwaltung aufgreifen“, findet Andreas G. Winter (Bündnis 90/Die Grünen) und betont: „Das Geld dafür ist da.“ Rund 500 000 Euro stehen aus dem Fond „Stadtteilzentren konkret“ zur Verfügung. Mehr Raum für Fußgänger und Radfahrer zu schaffen, sei wichtig. Die weitergehende Frage sei: „Wie können wir die Stuttgarter Straße Zug um Zug vom Verkehr entlasten?“

Letztendlich sind sich die Fraktionen im Gemeinderat einig, dass die Stuttgarter Straße eine Aufwertung benötigt. „Die Stuttgarter Straße braucht einen Attraktivitätsschub vom Biberturm bis hinunter zum Obi“, sagt Matthias Oechsner (FDP). „Die Schaffung des Grazer Platzes ist der erste Schritt, um mehr Qualität in die Stuttgarter Straße hineinzubekommen.“ In der oberen Stuttgarter Straße fehle ein „Frequenzbringer“. Allerdings sei die Parkplatzfrage ein zweischneidiges Schwert: „Wenn die Leute keine Parkplätze haben, dann bleiben sie weg“, sagt Oechsner. Deshalb wäre es wichtig, zumindest Ersatzparkplätze in Fußnähe zu schaffen, wenn sie am Grazer Platz wegfallen.

Gute Situation schaffen

Auch Markus Bott (CDU) betont: „Wir müssen auf der Stuttgarter Straße etwas tun und zwar vom Biberturm bis hinunter zur Leobener Straße.“ Allerdings sei es wichtig, mit „Maß und Ziel“ vorzugehen. Es müsse „für alle Verkehrsteilnehmer eine gute Situation geschaffen werden“. Ein Verkehrsgutachten sei wichtig, wenn man in der Stuttgarter Straße regulierend eingreife. Auch er hätte gerne einige Parkplätze am Grazer Platz erhalten.

Suse Kletzin (SPD) regt die Entwicklung eines Rahmenplanes für den Bereich an – mit Beteiligung der Bürger. In Untertürkheim habe dies sehr gut funktioniert. „Ich mache mir Sorgen um die obere Stuttgarter Straße, denn die ist bereits jetzt ein Stück weit abgehängt.“ Auch für den Bereich beim Kelterplatz bräuchte es ein Konzept und neue Impulse.

Jürgen Zeeb (Freie Wähler) sieht die Sache pragmatisch: „Wenn wir den Knoten Grazer/Stuttgarter Straße verbessern können, dann sollten wir es tun.“ Wenigstens ein paar Parkplätze hätte er aber gerne behalten und habe sich dafür im UTA auch eingesetzt. Leider ohne Erfolg. Den Wegfall von 19 Parkplätzen findet er zu viel. „Das ist nicht gut.“ Roland Saur, der erstmals für SÖS im Gemeinderat kandidiert, betont, dass Bürger den „zunehmenden Autoverkehr, die Verdrängung der Fußgänger durch viele Baustellen und die leer stehenden Gebäude und Läden vor allem in der Stuttgarter Straße beklagen“. Der sogenannte Grazer Platz lade nicht zum Verweilen ein. „Die Uneinigkeit im Bezirksbeirat und der Verzicht auf eine Investition von 600 000 Euro ist ein großer Fehler, der jetzt unbedingt korrigiert werden muss“, sagt Saur.

Passender Einstieg

Für Christoph Ozasek (Die Linke) wäre für die Stuttgarter Straße „eine Fußgängerzone wünschenswert“. Untersuchungen hätten gezeigt, dass Fußgänger und Radfahrer mehr Geld und Kaufkraft in Einkaufsbereiche bringen als Autofahrer. Den Bereich „Grazer Platz“ zu einer verkehrsberuhigten Zone auszubauen und dort eine Art Gemeinschaftsraum (Shared Space) für Autofahrer, Fußgänger und Radfahrer zu schaffen, hält Ozasek für den passenden Einstieg. „Der durchlaufende Bodenbelag schafft quasi einen egalitären Raum für alle Verkehrsteilnehmer.“

Bernd Klingler vom Bündnis Zukunft Stuttgart 23 (BZS23) sagt: „Die Stuttgarter Straße braucht eine Aufwertung, die gut für den Einzelhandel ist.“ Und dies bedeute für ihn, „dass es weiterhin genug Parkplätze dort geben muss“. Das ist für ihn die Grundvoraussetzung jeder Veränderung. Stellplätze wegzunehmen, halte er „nicht für besonders schlau, denn wir haben jetzt schon relativ wenig“.