Zwei pflegebedürftige Männer kommen innerhalb kurzer Zeit ums Leben. Beide haben die gleiche Pflegerin. Steckt sie dahinter? Der neue Stuttgarter Tatort dürfte den klassischen Krimifans gefallen.

Stuttgart - Wurden sie überhaupt an einen Tatort gerufen? Die Ermittler Thorsten Lannert (Richy Müller) und Sebastian Bootz (Felix Klare) versuchen im neuen Stuttgarter „Tatort“ herauszufinden, warum zwei pflegebedürftige Männer ums Leben gekommen sind. Die Senioren starben in ihrem Zuhause - der eine an plötzlichem Herzstillstand, der andere war die Treppe hinuntergestürzt.

 

Doch die Vorfälle, die sich innerhalb weniger Wochen ereigneten, verbindet etwas: Anne Werner vom mobilen Pflegedienst Elvira. Die herzliche, kompetente Pflegerin hatte sich um beide Männer gekümmert - und wird damit schnell zur Hauptverdächtigen der Folge „Anne und der Tod“, die das Erste am Sonntag (19. Mai) um 20.15 Uhr zeigt.

Engel klingt schön

Aber wen die Ermittler auch befragen, die Fassade der vorbildlichen Pflegerin, die sich in einem herausfordernden Job rührend um ihre Patienten kümmert, will nicht bröckeln. Warum sollte sie Paul Fuchs ein lebenswichtiges Medikament vorenthalten haben? Und warum Christian Hinderer einen Stoß am Treppenabsatz versetzt haben? Vielleicht aus Mitleid, mutmaßen die Kommissare. „“Todesengel“ steht dann manchmal in der Zeitung““, sagt Lannert im Verhör. „Engel klingt eigentlich ganz schön.“

Den Ermittlern fehlt neben Spuren und Zeugen diesmal auch ein überzeugendes Motiv. Die Wende könnte nur ein Geständnis der Verdächtigten selbst bringen. So nimmt ein „Tatort“ Fahrt auf, der sich zur Freude von Fans klassischer Krimi-Handlungen auf die reine Ermittlerarbeit konzentriert: Lannert und Bootz durchleuchten penibel das Leben der alleinerziehenden Mutter - überzeugend gespielt von Katharina Marie Schubert -, die jeden Vorwurf ruhig, aber bestimmt, von sich weist. Nicht nur beim Zuschauer, auch bei den Kommissaren selbst drängt sich zwischenzeitlich die Frage auf, ob deren Ermittlungsmethoden angemessen sind.

Gut eingesetzte Rückblenden

Eine der großen Stärken dieser Folge liegt in den geschickt eingesetzten Rückblenden. Immer wieder wird das intensive Verhör von kurzen Episoden aus dem Alltag der Anne Werner und der Lebenswirklichkeit ihrer Patienten unterbrochen. Dieser „Tatort“ macht erfahrbar, was ein Begriff wie Pflegenotstand tatsächlich bedeutet. „Wir haben penibel recherchiert, um jede Kleinigkeit wie Patientenakten und Dienstpläne originalgetreu einfangen zu können“, erläutert Regisseur Jens Wischnewski im ARD-Interview.

Hoher Zeitdruck, starke Belastung, geringes Einkommen - „Ich bin zufrieden“, erklärt Pflegerin Anne Werner dennoch mit Nachdruck. Doch im Verlauf kommen Zweifel an der Integrität der Hauptverdächtigen auf. Handelte Anne Werner möglicherweise alles andere als uneigennützig? Spannend bleibt der „Tatort“ bis zum Schluss.

Mehr Schein als Sein

Im Verhör kommt ans Licht, wie wichtig es der Pflegerin ist, den schönen Schein zu wahren - sei es vor Nachbarn oder vor den Eltern der Mitschüler ihres Sohnes. „Wir haben ein Auto, in dem das Radio und die Heizung kaputt ist. Aber Hauptsache, vorne ist ein Stern drauf“, wirft der Teenager seiner Mutter vor.

Wann immer es gilt, ihr dunkles Geheimnis zu verbergen, lässt Anne Werner die Jalousien bei ihren Patienten herunter. Dabei wäre das vielleicht nicht mal notwendig - schaut die Gesellschaft doch ohnehin ganz gerne weg, wenn es um die Themen Alter und Pflege geht.