Der Verschönerungsverein in Stuttgart ist seit 150 Jahren bei der Planung und der Pflege von Aussichtspunkten aktiv.

Lokales: Sybille Neth (sne)

Stuttgart - Tradition und Moderne verbinden sich in der Geschäftsstelle des Verschönerungsvereins Stuttgart (VSV): Die alten ruppigen Holzbalken des Fachwerks sind teilweise freigelegt, in einige sind heute Vitrinen mit Edelstahlrahmen eingebaut. Darin präsentiert der Verein seine Schätze: zum Beispiel einen rund 300 Jahre alten Schuh, der bei den Sanierungsarbeiten des völlig herunter gekommenen Hauses in der Weberstraße 2 zum Vorschein gekommen war. So wie die Räume seiner Geschäftsstelle ist der Verein selbst: Tradition und Moderne sind auch bei ihm zu Hause. So ist er Eigentümer der Hängekonstruktion Killesbergturm, andererseits verstand er sich in den 150 Jahren seines Bestehens stets auch als Verhinderer von Projekten. Aktuellstes Beispiel ist sein Eingreifen in die Debatte über die städtebauliche Neuordnung am Karlsplatz und den Erhalt des Hotels Silber, der ehemaligen Gestapozentrale für Württemberg. Der Vereinsvorsitzende Erhard Bruckmann forderte eine insgesamt maßvolle Bebauung sowie den Verzicht auf den geplanten Abriss des Hotels Silber.

 

Der Einzug in das runderneuerte Gebäude im Februar 1996 war ein Riesensprung in der Vereinsgeschichte, berichtet Bruckmann. Zuvor tagte der jetzt 580 Mitglieder zählende Verein im Rathaus, seine Unterlagen hortete er im Stadtarchiv. Dennoch hatte die Stimme des VSV schon immer Gewicht in der Stadt. Alle Stuttgarter Oberbürgermeister waren bisher VSV-Mitglieder. „Wir haben ein gutes Standing, weil man um unsere positive Tradition und Grundhaltung weiß. Aber wir rennen nicht nur offene Türen ein“, so schätzt Bruckmann die Rolle des VSV ein. In früheren Zeiten hatte der Verein für seine Aktivitäten beim Bau von Ausflugs- und Aussichtspunkten viele Gönner und Spender, auch das Königshaus.

„Wir haben uns da nichts vorzuwerfen“

So wurde er im Lauf der Zeit zu einem beachtlichen Grundstücksbesitzer: Neben dem Killesbergturm gehören ihm die Uhlandshöhe, die Karlshöhe, die Geroksruhe, die Anlangen an der Schillerlinde und Schillereiche, der Kriegsbergturm, der Chinagarten, die Karlshöhe Süd sowie das Grundstück in der Weberstraße, auf dem das 350 Jahre alte Gebäude mit der gemeinsamen Geschäftsstelle von VSV und Schwäbischem Heimatbund steht. Auch hier im Rotlichtmilieu hat der Verein kürzlich seine Stimme erhoben und die Stadt aufgefordert, der weiteren Verwahrlosung des Leonhardviertels entgegenzuwirken. Kurz darauf kaufte sie das Nachbargebäude aus dem Barock, in dem das „Café Mistral“ untergebracht ist. „Damit hat sie ein Zeichen gesetzt“, freut sich Bruckmann.

Die „erste Bürgerinitiative für Park, Wald, Denkmal und Stadtbild“, wie sich der VSV nennt, erfüllte bis 1902 die Aufgaben des Gartenamtes, das in jenem Jahr gegründet wurde. Bis dahin hatte er 22 Grünanlagen konzipiert und fast alle verwirklicht, 6000 Bäume gepflanzt, Baumschulen betrieben und 100 Grünflächen in der Stadt angelegt, unter anderem den Feuersee. Für die notwendige Sanierung dieser Anlage und die Verbesserung der Wasserqualität würde sich der VSV engagieren, vorher jedoch müsste nach Ansicht von Bruckmann und dem zweiten VSV-Vorsitzenden Wolfgang Müller ein Gesamtkonzept für das Areal erarbeitet werden.

Während des Dritten Reiches hatte der VSV weiter bestanden,. „Wir haben uns da nichts vorzuwerfen. Wir haben das alles genau recherchieren lassen“, sagt Bruckmann. „Bis 1936 hatten wir jüdische Mitglieder im Verein.“ Nach dem Zweiten Weltkrieg verkaufte der Verein einige seiner Grundstücke, um damit seine Kasse wieder aufzufüllen, und in den 1960er Jahren rettete er unter anderem die Wangener Höhe vor der großflächigen Bebauung mit Hochhäusern. Und 2011, im Jubiläumsjahr, gründete der Verein seine Stiftung „Schönes Stuttgart“, außerdem traten 120 neue Mitglieder ein. Ob sie mit Hacke und Heckenschere selbst gegen Unkraut und Wildwuchs auf die vereinseigenen Flächen ausrücken, bleibt ihnen überlassen. Neben solchen Putzaktionen lädt der Verein zu Veranstaltungen und Vorträgen ein. „Stuttgart ist schön. Wer dafür sorgen will, dass es schön bleibt, wird Mitglied“, wirbt Müller.