Quer durch die Stadt eröffnen neue Lokale – als Signale für eine gute Zukunft nach Corona. Vom Bellevue auf dem Killesberg über das Lautenschlager und dem N 14 bis zum Lieblingsmensch in der Altstadt – Stuttgarter Wirte geben Gas.

Stadtleben/Stadtkultur: Uwe Bogen (ubo)

Stuttgart - „Cheese“ ruft der Fotograf beim Gruppenbild auf der Terrasse des neuen Killesberg-Restaurants Bellevue und überlegt sogleich: „Dürfen Veganer überhaupt Cheese sagen?“

 

Timo Kadner, der Küchenchef an diesem exponierten Platz mit Blick über Stuttgarts Kessel bis zum Schwabenlandtower in Fellbach, bis zum Remstal, bis zur Grabkapelle und bis zur Alb, antwortet mit einem klaren Ja. „Ich mach auch veganen Käsekuchen“, sagt er. Auf den Namen komme es nicht so an, vielmehr auf das, was reinkommt.

Eigentlich sollte das Bellevue im Mai 2020 starten. Ging nicht wegen Corona! Zuvor war der Koch um die Welt gereist, hat bei der Champions League für den FC Barcelona und für die VfB-Profis gekocht. Die Perkins-Park-Chefs Alexander Scholz und Michael Presinger haben mit Bjoern Boltz auf der anderen Straßenseite ihres Clubs einen futuristisch anmutenden Rundbau auf dem Gelände des abgebrannten Biergartens On Top hingestellt. Fenster bis zum Boden bieten einen Panoromaausblick.

Zum Auftakt des Restaurants Bellevue sind alle Plätze reserviert

Endlich! Am Feiertag ging’s los! Die Sonne schien, und angesichts der traumhaften Aussichten kamen Urlaubsgefühle auf. Zum Start waren alle Plätze dieser neuen Killesberg-Attraktion reserviert. Die Kuppelkonstruktion des Restaurants zieht mit ihrer besonderen Ästhetik die Blicke an.

Die Betreiber haben „einen siebenstelligen Betrag“ dafür ausgegeben. „Pavillounge“ nennt sich diese Mischung aus Pavillon und Lounge. Der polnische Hersteller verkauft seine Erfindung europaweit, sogar als Gartendomizil für Menschen mit entsprechenden Grundbesitz. In Amsterdam oder Berlin stehen diese Glashäuser als Lokale.

Die Polizei kommt zum Opening, aber nur, um Hallo zu sagen

Die Stuttgarter Besitzer haben ein Fundament errichten lassen, eine Terrasse dazu gebaut und draußen noch eine To-go-Bude hingestellt, wo es später für Parkbesucher Picknickkörbe zum Kaufen gibt. War nicht leicht, die Ämter vom polnischen Gastro-Ufo zu überzeugen. Etliches musste nachgebessert werden, etwa das Sonnendach. Nun ist alles im grünen Bereich. Die Polizei kam zum Opening, aber nur, um Hallo zu sagen.

Bis sich alles eingespielt hat und bis genügend Personal gefunden ist, öffnet das Bellevue nur donnerstags bis sonntags. Auch frühstücken kann man am Wochenende hier. Gegenüber ist ein Schnelltestzelt von der Schräglage. Wenn die Inzidenzen so bleiben, wird es von nächster Woche an nicht mehr für Außengastrogäste gebraucht.

Selbst das Ketchup ist selbst gemacht

Ausschließlich fleischlos kocht Timo Kadner. Dies nicht, um Nichtvegetarier und Nichtveganer bekehren zu wollen, sondern weil er es liebt, seine Gäste mit Gemüse und regionalen Vorzügen kreativ zu überraschen.

Die Speisekarte, auf der sich Gerichte wie vegetarische Maultaschen, Risotto mit Spargel und Kräuterseitlingen oder Pasta mit getrockneten Tomaten und Kapern befinden, soll nach und nach ausgebaut werden. Fürs Biergartenpublikum gibt’s auch Pommes mit selbst gemachtem Ketchup. Die Pommes sind fast die einzigen Convenience-Produkte, die Kadner in seine Küche lässt. Zum Kartoffelschnitzen fehlt ihm die Zeit, im Anfangshype auch die Zeit, um die phänomenale Fernsicht zu genießen.

Das vegane Restaurant vhy! eröffnet in etwa drei Wochen

Ist das Gastrosterben überwunden? Auch wenn noch unklar ist, welche Wirte aufhören müssen – es dürfen viele sein – , so geben etliche nun Gas. Eine Bar nach der anderen wird eröffnet, ein Restaurant nach dem anderen. Im Westen startet mit dem vhy! von Ex-Fußballer Timo Hildebrand und Künstler Tim Bengel in etwa drei Wochen ein weiteres veganes Restaurant. Im früheren Burger King beim Hans-im-Glück-Brunnen hat Na Man Le das japanisch-europäische Restaurant N 14 (steht für Nadlerstraße 14) aufgemacht. Später soll’s hier Sushi-Kurse geben und Partynächte im oberen Stock.

Die Bar Lieblingsmensch hat in der Altstadt eröffnet

Nagelneu ist das Bierhaus Lautenschlager von Dinkelacker/Schwabenbräu samt Empore vis-à-vis vom Palast der Republik sowie das Classic Rock Café, das von der Eberhardstraße abrissbedingt in das ehemalige Cantina umgezogen ist. Juan und David Blanco del Rio haben viel investiert, um ein Schmuckstück für Rock-’n’-Roller zu schaffen. In der früheren Edelweiß-Spielhalle in der Altstadt haben Chrissy Mavridou (ihr Mann ist der Mono-Betreiber) und Sevcan Evcim am Donnerstag ihre Bar Lieblingsmensch unter einem Laufhaus eröffnet – und sind „megahappy“ über „so viel liebevolle und lobende Worte“. In der Stadt gibt’s viele Lieblingsmenschen.

Die Pandemie ist nicht vorbei. Aber: Hoch lebe die Gastronomie! Gründerstimmung macht sich in Stuttgart breit. Neues entsteht quer durch die Stadt. Beim Ausgehen muss viel nachgeholt werden. Wie schön: Viele Wirte glauben an die Zukunft nach Corona.