Wer sich bei der Begrünung der Stadt auf öffentlichen Flächen einbringen will, um das Stadtklima zu verbessern, stößt auf Hindernisse. „Private Pflanzaktionen auf städtischen Grünflächen bedürfen immer der Freigabe der Ämter“, heißt es aus der Verwaltung.

Stuttgart - Die Stadt braucht Bäume. Viele Bäume. Nicht zuletzt deshalb hat sich Ex-OB-Kuhn für Bäume auf dem Marktplatz ausgesprochen und in seiner Amtszeit das Projekt der 1000 neuen Bäume und dem Anlegen von 25 Kilometer Hecken gestartet. Fast visionär meinte Kuhn: „Es gilt, Maßnahmen in ihrer Wechselwirkung zu begreifen, egal ob neue Biotope angelegt, Bäume und Hecken gepflanzt, Fassaden begrünt werden oder sich Bürger beim Urban Gardening engagieren. Investoren, die in Stuttgart bauen wollen, müssen sich fragen lassen, wie sie mit dem Thema Grün umgehen.“

 

Doch der Oberbürgermeister heißt nun Frank Nopper. Kuhn‘sche Theorie und heutige Praxis sind so weit von einander entfernt wie der Mond von Wanne-Eickel. Will der gemeine Bürger in diesen Tagen seinen Anteil daran leisten, das Stadtklima nachhaltig zu verändern, wird er oft in seinem Eifer ausgebremst. So auch ein Stuttgarter, der an der Neuen Weinsteige ein Haus besitzt und schon im Jahr 2008 im Zuge von Baumaßnahmen neue Bäume pflanzen wollte. Jetzt wagte der Stuttgarter einen neuen Versuch und suchte die Kooperation mit dem Tiefbauamt. Schließlich muss alles gut durchdacht sein. Kanäle oder Leitungen im Erdreich könnten in Konflikt mit dem Wurzelwerk der Bäume geraten. Zudem passt nicht jede Baumart an jeden Ort. Doch auf seine Anfrage hin erklärte das Tiefbauamt per E-Mail: „Nach interner Rücksprache sehen wir von einer Überlassung unserer Planungsunterlagen an Dritte ab.“

Münchner Verein Green City als Vorbild

Eine Antwort, die bei dem Stuttgarter Baumfreund auf Unverständnis stößt. Annika Wixler, die der Initiative Wanderbaumallee angehört, kann die Regeln der Stadt jedoch nachvollziehen. Die Stadt wolle sich generell vor Wildwuchs schützen. Zudem habe das Gartenbauamt die entsprechende Expertise, wo welche Baumart gedeihen kann. „Grundsätzlich“, so Annika Wixler, „ist bei der Stadt der Wille zu mehr Begrünung da. Aber man muss vielleicht über neue Rahmenbedingungen für Bürger nachdenken, die hier aktiv werden wollen.“ In diesem Zusammenhang nennt sie auch den Münchner Verein Green City als Vorbild. Der Verein setzt sich nicht nur massiv für die Begrünung der Stadt ein, er begleitet auch Möglichkeiten zum Gärtnern, Begrünen und Bepflanzen im städtischen Raum. Besonders das Projekt „Grünpaten“ sticht dabei hervor. Es ist eine Kooperation der Gärtner von Green City mit dem Baureferat Gartenbau der Landeshauptstadt München, die das Engagement für die Begrünung des eigenen Stadtteiles fördert. In diesem Projekt können Bürger offizielle Paten von Straßenbegleitgrünflächen werden. Diese Flächen sind in der Regel Stellen rund um Straßenbäume, an denen sich bisher keine Begrünung halten konnte.

All das ist in Stuttgart so nicht vorgesehen. Grundsätzlich möchte das Garten-, Friedhofs- und Forstamt nach eigener Aussage keine privaten Absperrungen von öffentlichen Grünflächen. Auf die Frage, was der Einzelne tun kann, wenn er beispielsweise einen neuen Baum pflanzen will, erklärt eine Sprecherin für das jeweilige Fachreferat der Verwaltung: „Im eigenen Garten oder Vorgarten nach Möglichkeit Gehölze oder Bäume pflanzen.“ Alternativ könnten Bürger eine städtische Baumpatenschaft übernehmen.

So genanntes „Guerilla Gardening“ am Straßen- oder Wegesrand wie in München wird in Stuttgart von Amtswegen nicht unterstützt. Bürger, die etwa auf einer Fläche Blumen angepflanzt haben, haben dennoch keine Chance, die amtlichen Mäharbeiten zu verhindern.

Grasfläche am Wegesrand ist tabu

Die Pflanzenpracht wird mit dem Gras abrasiert. „Hier gibt es klar definierte Flächenvorgaben, die vertragsgerecht einzuhalten sind“ , so das Amt. Wilde Aktionen, die es beispielsweise im Stuttgarter Norden gibt, seien dem Garten-, Friedhofs- und Forstamt nicht bekannt. Deshalb lautet das Fazit des Amtes: „Private Pflanzaktionen auf städtischen Grünflächen bedürfen immer der Freigabe der flächenverwaltenden Ämter.“

Für alle, die im Kessel wohnen und von der Wirkung der Bäume bei den Hundstagen im Sommer wissen, mag dies unbefriedigend klingen. Erst kürzlich monierte eine Leserin: „Ein alter Baum bindet Feinstaub und CO2, verbessert die Luft und das Kleinklima, denn seine rund 600 000 Blätter geben täglich 500 Liter Wasser ab. Dadurch werden die hohen Sommertemperaturen, die besonders in einer Stadt in dieser Tallage herrschen, um bis zu acht Grad gesenkt.“

Nicht zuletzt deshalb wird klar, warum der ehemalige Oberbürgermeister Fritz Kuhn 1000 neue Bäume pflanzen wollte. Die Stadt braucht Bäume.