Rumpelnd laut und schlecht gefedert: Der Komfort der Strampe vom Typ GT 4 hielt sich in Grenzen – dennoch wecken Erinnerungen an sie Glücksgefühle. Unser Stuttgart-Album gratuliert mit Anekdoten zum Sechzigsten des gelben Klassikers.

Stadtleben/Stadtkultur: Uwe Bogen (ubo)

Stuttgart - Gelb war der berühmte Knopf. Im Laufe der Jahrzehnte machte ihn die Patina immer bräunlicher. Darüber stand Weiß auf Grau mit Pfeil: „Aussteigen bitte Knopf drücken.“

 

Wer kann sagen, wie oft er ihn bedient hat? Der legendäre Knopf gehört zur Strampe vom Typ GT 4, die von 1959 bis 2007 für die SSB im Einsatz war. Zum 60. Geburtstag in diesem Jahr muss die geliebte Gelbe in Stuttgart nicht mehr quietschen und schaffen (nur in Rumänien fährt sie noch) – sie glänzt als Attraktion im Straßenbahnmuseum in Bad Cannstatt.

Der GT 4 weckt Kindheitserinnerungen

Als es an Endhaltestellen noch Schleifen zum Umdrehen gab, ohne die heute die Stadtbahn auskommt, saß Wibke Wieczorek, eine Kommentatorin im Internet-Forum unseres Stuttgart-Albums, am liebsten hinterm Fahrersitz und genoss es, stundenlang mehrere Runden meist mit der 13er oder 6er zu fahren. „Da konnte man mit den Fahrer noch reden“, erinnert sie sich, „wenn’s s dunkel wurde, hat er den Vorhang zugezogen.“ Die Innenbeleuchtung sollte sich nicht im Fenster spiegeln und den SSB-Mann blenden. Die frühe Liebe zur Strampe blieb nicht ohne Folgen. „Später hab’ ich einen Fahrer geheiratet“, verrät Frau Wieczorek.

Der GT 4 weckt Kindheitserinnerungen. Auf unserer Facebook-Seite sorgt das Jubiläum für Wehmut und für eine Flut an schönen Erinnerungen. „Das freihändige Stehen auf dem beweglichen Mittelteil fand ich immer aufregend“, schreibt Carmen Lindner. „Aus den Gummidichtungen am Fenster konnte man Wasser rausquetschen“, weiß Manuela Hoss. Marc Simianer verrät: „Auf dem kleinen Brettle bei den roten Sitzen sind gefühlt 90 Prozent meiner Hausaufgaben entstanden.“ Beim Anblick der Fotos steigt Tom Krieg „sofort der Geruch der Strampe in die Nase“. Und er hört „das Geräusch der Pressluft beim Öffnen der Türen“.

Immer, wenn der Klappsitz knallte

Ein Klappsitz lud zum Experimentieren ein. Jugend forscht. Wolfgang Müller beschreibt die Versuchsanordnung: „Beim Aufstehen schnappte der Sitz an die Wand – und es tat einen Wahnsinnsschlag. Auf kleine Kinder musste man aufpassen, damit die nicht vom Sitz hochgerissen wurden.“ Martina Ma erzählt auf unserer Facebook-Seite: „Ich habe damals in der Seidenstraße gewohnt. Immer wenn der Vierer an unserem Haus vorbei fuhr, klirrte leise das Sonntagsgeschirr im Wohnzimmerbuffet.“

Der GT 4 – die Abkürzung steht für Gelenktriebwagen und für die Achsenzahl – ist 19 Meter lang, 2,20 Meter breit und fährt bis zu 60 Stundenkilometern Spitze. Im Dezember 2007 ist zum letzten Mal regulär ein Wagen von diesem Typ durch Stuttgart gerumpelt. Danach kamen einige Bahnen ins Museum. Über 100 Fahrzeugen wurden in die rumänischen Städte Arad und Iasi verkauft.

Strambe oder Strampe? Wie schreibt man sie richtig? Eigentlich müsste es ein b sein, weil die Abkürzung für Straßenbahn und Trambahn steht. Durchgesetzt hat sich jedoch die „Strampe“ mit p – auch in den Publikationen der Stuttgarter Straßenbahnen AG (SSB), die noch das Wort Straßenbahnen im Namen führt, obwohl längst nur noch Stadtbahnen viel ruhiger fahren.

Über 350 Wagen wurden von 1959 bis 1965 ausgeliefert

Der GT 4 stellt schon deshalb eine Stuttgarter Institution dar, weil er speziell für die Hanglage der Stadt entwickelt worden ist. Über 350 Wagen wurden zwischen 1959 und 1965 an die SSB ausgeliefert. Schwabe war der GT 4 auch von „Geburt“: Die Maschinenfabrik Esslingen hat ihn geschaffen.

Auch wenn die Stadtbahn heute viel bequemer,ruhiger und schneller ist – in der Erinnerung bleibt der Charme der Strampe unschlagbar.

Diskutieren Sie mit unter: www.facebook.com/Album.Stuttgart. Zu unserer Geschichtsserie sind drei Bücher erschienen, zuletzt „Das Beste aus dem Stuttgart-Album“ im Sutton-Verlag.