Der ehemalige Fußball-Weltmeister Guido Buchwald war zu Gast bei StZ im Gespräch in Esslingen. Wenn es um die Chancen des VfB Stuttgart in der Relegation geht, lässt er lieber sein Herz sprechen.

Esslingen - Die Analyse treffend, der Ton herzlich, die Stimmung entspannt. Guido Buchwald, der Fußballweltmeister von 1990, der zweimalige Deutscher Meister und Ehrenspielführer des VfB Stuttgart, der ehemalige Meistertrainer in Japan, hat sich mit den Leserinnen und Lesern der Stuttgarter Zeitung/Stuttgarter Nachrichten gut verstanden. Nur einmal hat er an diesem 25. Abend der Reihe „Stuttgarter Zeitung im Gespräch in Esslingen“ mit einer Einschätzung völlig daneben gelegen. „Wenn man von früher erzählt, weiß man, dass man älter wird“, hat er im Gespräch mit dem Esslinger Büroleiter der Stuttgarter Zeitung/Stuttgarter Nachrichten, Kai Holoch, behauptet. Das stimmt nicht: Guido Buchwald hat von früher erzählt und ist dabei immer jünger geworden.

 

Den Eindruck hatten die rund 90 Besucher, die am Donnerstag in den Esslinger Redaktionsräumen im Palmschen Bau ausgesprochen kurzweilige fußballgemäße 90 Minuten genossen haben. Trotz mancher Anekdote aus seiner Jugend und aus 20 Jahren Profi-Fußball hat Buchwald, der elf Jahre lang das Trikot mit dem roten Brustring getragen hat und in dieser Zeit zwei Mal die Meisterschale hochrecken konnte, nicht nur in der Vergangenheit geschwelgt. Zu sehr beschäftigt ihn die aktuelle Situation seines Klubs, dessen Wohl und Wehe er trotz seines im Unfrieden vollzogen Rückzugs aus dem Aufsichtsrat als Herzensanliegen bezeichnet.

Respekt vor den möglichen Relegationsgegnern

Auf die Einlassung von Kai Holoch aber, was denn sein Herz auf die Frage nach dem Klassenerhalt für den VfB antworten würde, hat er den einen entscheidenden Moment lang gezögert. Um dann zu bekennen: „Das Herz sagt, der VfB schafft es auf jeden Fall“ – wobei die Betonung auf „Herz“ so deutlich rüberkam, dass Kai Holoch lieber nicht nach dem Urteil des Kopfes fragte. Auf jeden Fall, so Buchwald, stehe beim künftigen Relegationsgegner, ob er jetzt Union Berlin oder der FC Paderborn heißt, ein Gegner mit Spirit auf den Platz. Auch hier sollte die sich aufdrängende Nachfrage, wie es denn um den Geist der aktuellen VfB-Mannschaft bestellt sei, ausbleiben.

Vermutet haben es viele, am Donnerstag ist es Gewissheit geworden. Zu Guido Buchwalds Zeiten hat beim VfB Stuttgart noch ein anderer Wind geweht. „Bei uns ist die Krise schon ab Platz 8 ausgerufen worden“, erinnert er sich. Habe er sich einen Fehlpass geleistet, dann habe ihn das tagelang beschäftigt.

Vom Mittelstürmer zum Verteidiger

„Ich konnte nie gut mit Niederlagen umgehen“, gesteht er. Grausam sei das gewesen. Heute dagegen würden Abspielfehler sogar in der eigenen Hälfte akzeptiert, von den Spielern wie von der Öffentlichkeit, frei nach dem Motto: Er hat es ja eigentlich richtig machen wollen.

Guido Buchwald hat in seiner Karriere vieles richtig gemacht. Von den ersten Schritten als Mittelstürmer (!) beim SV Wannweil über die Jugendmannschaften des TSV Pliezhausen und der Stuttgarter Kickers, bei denen er als 17-Jähriger seinen ersten „Vertrag“ unterzeichnet hat – sehr zum Ärger des zu kurz gekommenen Lokalrivalen VfB Stuttgart. „Da ging es um ein paar Mark Fahrgeld-Ersatz. Die, die mich zum VfB lotsen wollten, haben mir gesagt, dass ich erst 17 bin und die Unterschrift gar nicht gelte“, so Buchwald. Er habe sich aber gebunden gefühlt und erst mal seinen „Vertrag“ erfüllt, bis es dann doch noch was wurde mit dem VfB. Um größere Summen ging es, als der FC Bayern München später anklopfte.

Eisern – am Vertragstisch und auf dem Platz

Dass Buchwald als gestandener Nationalspieler laut Vertrag wenn überhaupt, dann nur ins Ausland und das zu einer Mindestsumme von damals vier Millionen Mark wechseln durfte, hat den Bayern-Manager Uli Hoeneß nicht gestört. Er sei sich schon mit Inter Mailand einig, so der Jungmanager. Dorthin solle Buchwald wechseln und postwendend von den Bayern zurückgeliehen werden. „Da hätte ich mich daheim nicht mehr blicken lassen können“, begründet Buchwald rückblickend seinen Verzicht.

So eisern er am Vertragstisch seine Grundsätze verteidigt hat, so eisern hat er auf dem Platz das Tor verteidigt. Das Image des knallharten Verteidigers, das ihm anhaftet, entbehrt zumindest statistisch gesehen jeglicher Grundlage. Bei 76 Einsätze in der Nationalmannschaft, hat Buchwald doppelt so viele Tore geschossen wie Gelbe Karten kassiert. Das 4:2-Verhältnis erklärt der Innenverteidiger, der sich im Lauf seiner Karriere zudem vier Mal die Nase gebrochen, ganz einfach. „Ich habe immer versucht, fair zu spielen. So offen und ehrlich, wie ich auch meine Ziele im Leben abseits des Platzes verfolge“, so Buchwald.

Einen grätscht er an diesem Abend ab

Einen allerdings hat er an diesem Abend dann doch ordentlich abgegrätscht. Michael Reschke, der vor Monaten geschasste Sportvorstand des VfB Stuttgart, treibe zum Glück nicht mehr sein Unwesen in der VfB-Schaltzentrale auf dem Wasen, sagte er. Deutliche Worte, die zeigen, dass Guido Buchwald auch anders kann – nicht nur auf dem Spielfeld. Unvergessen, wie er im WM-Endspiel 1990 dem argentinischen Weltstar Diego Maradona den Zahn gezogen hat. Seitdem haftet ihm der Spitzname Diego so hartnäckig an, dass ihn sogar der ehemalige Finanzminister Wolfgang Schäuble damit angesprochen hat.