Die StZ hat über Jahre hinweg eine Klasse der Keplerhauptschule in Korb begleitet. Nun stehen die Jugendlichen vor dem Abschluss.  

Rems-Murr/ Ludwigsburg: Martin Tschepe (art)

Stuttgart - Asya ist froh - und schaut doch ein bisschen nachdenklich in die Gegend. Das neunte Schuljahr an der Keplerhauptschule in Korb (Rems-Murr-Kreis) geht zu Ende, das Mädchen hat den Abschluss mit Bravour bestanden. Was nun? "Ein geiles Gefühl", sagt die 15-Jährige. Nach den Sommerferien werde sie weiter in die Schule gehen, aber leider nicht in Korb, sondern in Waiblingen in eine Werkrealschulklasse. Ihr Ziel ist die mittlere Reife. Wer weiß, vielleicht macht Asya eines Tages auch noch das Abitur.

 

Die Klassensprecherin sagt, sie würde lieber in Korb bleiben, "die Hauptschule war schon gut". Und Dennis, ebenfalls Klassensprecher, erklärt trocken: "Die Hauptschule war gar nicht schlimm." Auch der 16-Jährige hat bestanden, weiß indes noch nicht, wie es nach den Ferien weitergeht. Alle 18 Schüler der Klasse, die die StZ über die fünf Jahre in der Hauptschule begleitet hat, hätten den Abschluss geschafft, sagt der Klassenlehrer Joachim Menne. Er ist zu Recht stolz auf seine Schützlinge: Tolle Hauptschule? Zufriedene Kinder? Das gibt's doch gar nicht.

Schüler hatten das Gefühl, versagt zu haben

Rückblende, Klasse fünf: alle Schüler der Klasse wollten damals so schnell wie möglich weg. Ihr großes Ziel war die Realschule. Ein paar haben im Laufe der Schulzeit tatsächlich gewechselt. Die meisten sind geblieben, ein paar kamen hinzu. "Ich wollte eigentlich auf die Realschule." Diesen Satz hatten fast alle Kinder vor fünf Jahren gesagt. Sie hatten das Gefühl, versagt zu haben, hatten sich selbst und noch dazu ihre Eltern enttäuschst. "Nur" Hauptschule, für manche Mutter, für manchen Vater war das damals ein regelrechter Schock. Zum Beispiel für Caroline Lepore, die Mutter von Laura. Laura hat jetzt eine Lehrstelle. Und die Mutter hat sich von dem Schock längst erholt. Bereits gegen Ende der fünften Klasse bezeichnete sich die Frau selbst als "begeisterte Mutter eines Hauptschulkinds".

Nedzad Mehmedi ist der Elternvertreter der Klasse. Der 40-Jährige arbeitet als Betriebsschlosser bei Daimler, er hat vor 25 Jahren an der Keplerschule in Korb den Hauptschulabschluss gemacht. Mehmedi sagt, er sei schon immer ganz zufrieden gewesen mit der Hauptschule. Der Unterricht mit viel Projektarbeit und mit Präsentationen habe sich im Vergleich zu seiner Schulzeit deutlich verbessert. Der Elternvertreter sagt, er würde das dreigliedrige Schulsystem "so lassen, wie es ist".

Rektor begrüßt die Gemeinschaftsschule

Doch der Hauptschule laufen trotz der mitunter ausgezeichneten Arbeit die Kinder davon. Thomas Kuntz, der Rektor der Keplerschule, sagt, es gehe gar nicht darum, "unsere Schule abzuschaffen". Er würde es begrüßen, wenn "alle Kinder aus Korb, von Klasse eins bis Klasse zehn, bei uns zur Schule gehen würden". Das Ziel der neuen Landesregierung, sogenannte Gemeinschaftsschulen zu fördern, Haupt- und Realschulen zusammenzulegen, sei richtig. Schwächere und stärkere Schüler könnten so voneinander profitieren.

Sollte das Konzept der grün-roten Regierung umgesetzt werden, dann könnten Jugendliche wie Asya künftig in Korb die mittlere Reife machen. Die Kinder würden nicht schon nach Klasse vier sortiert. Kuntz sagt, er könne sich auch vorstellen, eines Tages in Korb "eine gymnasiale Oberstufe draufzusetzen". Zumindest bis Klasse zehn könnten die Hauptschullehrer alle Kinder unterrichten. Der Rektor hofft, dass die Keplerschule im Schuljahr 2012/2013 als Gemeinschaftsschule "durchstarten" darf.

Beziehungsarbeit ist am wichtigsten

Joachim Menne ist seit 25 Jahren mit Leib und Seele Hauptschullehrer. Im Unterricht, sagt er, sei die Beziehungsarbeit am wichtigsten. "Das würde allen Schülern gut tun, nicht nur den Hauptschülern." Lernen von den Hauptschulen? Insbesondere mancher Gymnasiallehrer wird solche Vorschläge nicht sonderlich gerne hören.

Nedzad Mehmedi, Asya und Dennis ist die Diskussion deutlich zu akademisch geworden. Der Elternvertreter sagt, seine Tochter Diana suche noch immer eine Lehrstelle als Bürokauffrau. Auch Dennis möchte eine Ausbildung machen, gerne im Handwerk. Falls die beiden nicht bald unterkommen, werden sie wohl das sogenannte Berufseinstiegsjahr (BEJ) machen. Joachim Menne sagt, er und ungezählte Kollegen ärgerten sich darüber, dass viele Lehrstellen im Handwerk angeblich noch zu haben seien, dass Hauptschüler wie Dennis aber leer ausgingen. Der Korber Schüler erzählt, dass er bisher nur Absagen bekommen habe, drei Bewerbungen seien noch offen. Vielleicht klappt's ja doch noch-auf die Schule gehen will Dennis nämlich nicht mehr, nicht mal in Korb.

Die Langzeitbeobachtung

Projekt: Was wird aus frustrierten Mädchen und Buben, die am Ende der vierten Grundschulklasse alles wollten, bloß eines nicht: auf der Hauptschule landen? Wie kommen die Eltern damit klar, dass ihre Sprösslinge den Sprung in die Wunschschule nicht geschafft haben? Wohin führt der Weg der ehemaligen Fünftklässler, wenn sie die Korber Keplerhauptschule Ende dieses Monats verlassen? Diese Fragen sollten durch unsere Beobachtungen beantwortet werden. Die Schulzeit der Kinder in Korb geht jetzt zu Ende, unsere Wege trennen sich bald.

Endspurt:
Wir werden die Neuner in der dritten Juliwoche auf ihrer Klassenfahrt beim Segeln auf dem Ijsselmeer in Holland begleiten. Dann wollen wir noch klären: wer geht nach den Sommerferien auf eine weiterführende Schule? Wer hat eine Lehrstelle ergattert? Vielleicht sogar im Traumjob?

Die Schule im Netz unter www.keplerschule-korb.de