Der StZ-Pariskorrespondent Axel Veiel hat im Treffpunkt Rotebühlplatz über die Veränderungen in Paris nach den Anschlägen auf die Satirezeitschrift Charlie Hebdo und der Anschlagserie vom 13. November 2015 berichtet.

Stuttgart - Es war mein erster Urlaubstag, um 11 Uhr klingelte das Telefon, jemand sagte, da fallen Schüsse.“ Axel Veiel, Pariskorrespondent dieser Zeitung, erinnert sich genau an den 7. Januar 2015, jenen Tag, an dem auf die Satire-Zeitschrift Charlie Hebdo ein Attentat verübt wurde, bei dem insgesamt zwölf Menschen starben. Nun berichtete er in der Reihe Stuttgarter Zeitung Direkt – VHS Pressecafé, was sich in Frankreich ein Jahr danach verändert hat, in einem Jahr, in dem es weitere Anschläge geben sollte. Nach dem Anschlag auf Charlie Hebdo habe er noch das Gefühl gehabt, es gehe ein Ruck durch die Gesellschaft, es gebe einen Schulterschluss von Atheisten, Christen, Muslims, Juden, so Veiel im Treffpunkt Rotebühlplatz. Am 11. Januar hatten sich in Paris mehr als eine Millionen Menschen versammelt, um zu demonstrieren, an die 50 Regierungschefs marschierten mit. „Tout le monde est Charlie“, alle sind Charlie, so der Journalist. „Auch wenn man später merkte, dass vor allem das Bürgertum dabei war, nicht die Menschen aus den Banlieues, den problematischen Vorstädten: Der gemeinsame Ansatz zur Gegenwehr war Toleranz, Meinungs- und Pressefreiheit.“

 

Die Terroristen wollten möglichst viele Menschen töten

Nach der Anschlagsserie vom 13. November sei das anders gewesen. Die Terroristen hätten im Konzertsaal Bataclan, in Bars und Restaurants schnell möglichst viele Menschen töten wollen. „Was ist da der Ansatzpunkt? Wie kann man gegen Massaker demonstrieren?“ Viele reagierten mit Schweigen, Kränze, Blumen und Gedenktafeln. Und dem Gefühl, dass man mehr Sicherheit brauche. „Es wurde aufgerüstet, überall wird kontrolliert, Supermarkt, Museen, im größten Untergrundbahnhof Châtelet Les Halles“, so Veiel. Oft werde aber nur oberflächlich geprüft, nur ein Teil seines Rucksacks geöffnet. „Ein Sicherheitsbeamter sagte, er tut nur so.“ Aufgerüstet habe man auch die Gesetze. Der Ausnahmezustand, kurz nach dem Attentat verhängt, sei zwei Mal für drei Monate verlängert worden, nun solle er in die Verfassung. Und die Befugnisse der Sicherheitsbehörden reichten in Frankreich wesentlich weiter als in Deutschland. „Sie hören ab wie die NSA, können Ausgangssperren, Demonstrations- oder Versammlungsverbote verhängen.“ Umweltschützer seien während der Klimakonferenz unter Hausarrest gesetzt worden. Derzeit werde auch darüber debattiert, ob Terroristen mit doppelter Staatsbürgerschaft die französische verlören. „Ich habe noch von keinem gehört, der dann sagte: Auweia, dann lasse ich es lieber“, so Veiel.

Karim bekommt weder eine Wohnung noch einen Job

Von den 23 jungen Leuten einer südfranzösischen Kleinstadt mit 30 000 Einwohnern, die in den Heiligen Krieg zogen, habe ein Drittel aus wohlsituierten Familien gestammt. „Die Islamisten bieten vermeintliche Sicherheit, ein festes System aus gut und böse, Held und Versager. Wir müssen daher das Übel an der Wurzel packen, in den Problemgebieten der Banlieues.“ Wer dort aufwachse, den falschen Namen trage, habe schon verloren. „An Karim wird nichts vermietet, er bekommt keinen Job. Als die Vorstädte 2005 brannten, hat man Programme aufgelegt. Doch die sind mittlerweile wieder im Sande versickert.“