Die heimische Industrie stellt sehr hohe Ansprüche an die Finanzwirtschaft, das zeigte die StZ-Podiumsdiskussion „Zukunft der Region“ in der Alten Reithalle. Auch kleinere Betriebe verlangen von ihrer Bank die volle Palette der Dienstleistungen.

Stuttgart - Das Misstrauen gegenüber den Banken ist nach den Exzessen in der einst als hochseriös geltenden Branche noch nicht ganz ausgeräumt. „Das Vertrauen muss erst wieder aufgebaut werden“, sagt der Unternehmer Georg Fichtner, Präsident der Industrie- und Handelskammer (IHK) Region Stuttgart, bei der StZ-Podiumsdiskussion zum Thema Finanzplatz in der Alten Reithalle. Ob die Finanzkrise, die die Banken mit ihren riskanten Geschäften ausgelöst haben, überhaupt schon vorbei ist, das ist bei der von Joachim Dorfs, Chefredakteur der Stuttgarter Zeitung, moderierten Runde im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Die Zukunft der Region“ von StZ und Roland Berger Strategy Consultants keineswegs gewiss. Frank Heideloff, Bankexperte bei Roland Berger, spricht flapsig davon, dass das „Casino halb abgebrannt“ sei. Zweifel an der Stabilität der Finanzbranche äußert mit Blick auf die Banken auch Alexander Erdland, selbst Chef eines Finanzkonzerns: Wüstenrot & Württembergische (W&W). Zwei große Probleme betrachtet er als ungelöst. Nach Erdlands Ansicht ist noch immer nicht klar, wie die systemrelevanten Banken behandelt werden sollen. Und er ruft in Erinnerung, dass all die riskanten Geschäfte, von denen sich Banken getrennt haben, keineswegs verschwunden sind. Sie sind anderswo gelandet: bei den sogenannten Schattenbanken, die niemand kontrolliert.

 

Nach den Beobachtungen von Heideloff sind die Unternehmen der Realwirtschaft jetzt in einer guten Verhandlungsposition. Der Roland-Berger-Bankexperte teilt die allgemeine Einschätzung, dass die Unternehmen in der Summe gut durch die Krise gekommen sind. Und sie haben für Bankgeschäfte wieder mehr Auswahl. Ausländische Bankkonzerne wie HSBC oder Santander nehmen nach den Beobachtungen der Podiumsteilnehmer Deutschland als Expansionsgebiet ins Visier.

Das müsste Hans-Jörg Vetter, dem Vorstandschef der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW), eigentlich Sorgen machen. Aber der Platzhirsch bleibt ganz ruhig und gibt sich selbstbewusst. „Wir machen jetzt mal Mittelstand, das funktioniert nicht“, schreibt er den Expansionsstrategen ins Stammbuch. Und er erinnert an die Zeit vor fünf Jahren: „Da haben sich Banken wie ING und die Royal Bank of Scotland über Nacht vom Acker gemacht und die Kunden im Stich gelassen. Das vergisst der Mittelstand nicht.“

Auch Fichtner weiß von Großbanken, die sich ganz plötzlich aus dem Geschäft mit kleineren Unternehmen zurückgezogen haben. Kein Wunder, dass der Chef des Ingenieurbüros Fichtner sehr für die Hausbankverbindung plädiert. „Alles geht leichter, wenn man den Banker persönlich kennt“, sagt Fichtner. Auch Carl-Zeiss-Finanzchef Thomas Spitzenpfeil plädiert dafür, eine Vertrauensposition aufzubauen und den Finanzpartnern regelmäßig und immer wieder das eigene Geschäftsmodell zu erklären. Geduld ist auch aus Sicht von Vetter entscheidend. Der LBBW-Chef: „Wir nehmen uns Zeit. Bis ein vernünftiger Kontakt besteht, dauert es drei Jahre. Alles andere ist Geschäft per Durchlauferhitzer.“ So klar allen Beteiligten ist, dass Transparenz wichtig ist, so sehr plädiert Fichtner doch auch dafür, dass ein Betrieb nicht immer gleich alle Karten auf den Tisch legen muss: „Ein Unternehmer muss auch erst einmal vorangehen dürfen.“

Die besondere Struktur der Wirtschaft Baden-Württembergs führt dazu, dass die Formel, einem kleinen Unternehmen reicht eine kleine Bank, nicht aufgeht. Fichtner und Spitzenpfeil berichten über Ansprüche ihrer Unternehmen, zum Beispiel im Zahlungsverkehr, die nur von weltweit agierenden Banken erfüllt werden können. Fichtner: „Internationale Banken werden nicht erst ab einer Milliarde Euro Umsatz gebraucht.“ Zum Vergleich: Das global tätige Ingenieurbüro des IHK-Präsidenten setzt gut 200 Millionen Euro um. Spitzenpfeil sieht durchaus gewisse Risiken darin, auch mit internationalen Banken arbeiten zu müssen, die sich „bei schlechtem Wetter“ vielleicht zurückziehen. Der Zeiss-Finanzchef: „Da hat der Finanzplatz Stuttgart noch Spielräume.“