Gedankliche Dauersprinter: Marie Bues und Martina Grohmann bieten mit der Rampe experimentelles Gegenwartstheater im Schnelldurchlauf. Nur in den Ferien brauchen beide eine Komplett-Auszeit.

Stuttgart - Das Heusteigviertel an einem 30-Grad-Vormittag: Die Sonne knallt senkrecht zwischen den Jugendstil-Fassaden auf den Asphalt, stylische Mütter schieben Retro-Kinderwägen umher, und Golden Retriever mit selbst bestickten Halsbändern lassen sich träge Gassi führen. Im Café Herbertz drängt sich eine Touristengruppe um den massiven Messingkessel, der mit seiner Größe fast ein Viertel des Raums einnimmt. Daneben versinken zwei Männer Zeitung lesend in ihrer behaglichen Ich-hab-unter-der-Woche-frei-Gemütlichkeit. Gerade damit ist das Café ein ungewöhnlicher Treffpunkt für ein Frühstück mit Marie Bues und Martina Grohmann.

 

Denn eigentlich gelten die beiden Intendantinnen des Theaters Rampe als Sprinter unter den Stuttgarter Theatermachern: Knapp 40 Stücke setzten sie während der letzten Spielzeit auf ihre To-Do-Liste. Gastspiele, Eigenproduktionen, Kooperationen: Ein organisatorisches Wettrennen gegen sich selbst. Denn die meisten davon taumelten letztlich nur wenige Tage zwischen Zahnradbahn und Bühnenraum hin und her. „Dieses schnelle Rein-Raus überdenken wir gerade“, verspricht Bues.

Kaffee zum Frühstück und ein fehlender Vokal

Aber können die beiden Frauen, die gerade ihre zweite Amtszeit antreten, denn überhaupt noch langsam?

Fraglich. Zumindest der Salatteller, den Grohmann auf dem wackeligen Holztisch vor sich abstellt, ist eine Ausnahme. „Eigentlich trinke ich zum Frühstück nur Kaffee. Espresso. Schwarz. Kein Zucker“, erklärt sie trocken. Moment mal, nur Kaffee? Das ist alles? Nicht mal ein Bircher-Müsli zur Abwechslung? Einen Obstteller? Oder ein altbackenes Käsebrot? Grohmann schüttelt den Kopf. Melonen, Walnüsse, Weißwein-Vinaigrette: für die gebürtige Österreicherin nur ein nett angerichtetes Manchmal.

„Jetzt, wo ich hier so sitze, überlege ich aber, ob ich frühe Termine nicht doch ins Caféhaus verlege“, schiebt sie hinterher und zieht das „e“ dabei so lang, dass man sich fühlt wie in einem verschlafenen Wiener Vorort. Überhaupt klingt aus ihrem Mund viel ziemlich gemächlich – ganz im Gegensatz zu ihrer künstlerischen Vision.

Die hat vielleicht auch mit einem fehlenden Buchstaben zu tun. Beim Lesen der Leuchtschrift verheddert man sich fast zwangsläufig: R-M-P-E. Bitte, was?

Die beiden lachen. Um den fehlenden Vokal hätten sich schon die besten Geschichten gesponnen, erzählt Bues: „Wir bekommen oft Briefe und Anrufe, was denn da los sei. Jeder unserer Mitarbeiter hat inzwischen seine eigene Erklärung dafür, es wird wild erfunden und gelogen: Uns sei das Geld ausgegangen zum Beispiel. Wir hätten es einfach vergessen, weil die Anfangszeit so stressig gewesen sei. Oder auf der Leuchtschrift sei kein Platz mehr gewesen.“ Grohmann nickt. „Es ist großartig, dass das so zur Legendenbildung beiträgt.“

Fokus auf Performances und zeitgenössischem Theater

Okay. Aber warum jetzt wirklich kein „a“ in „Rampe“?

Mit dieser Frage beginnt der, sagen wir, kompliziertere Teil der Unterhaltung: „Die Fluidität des Logos war das Konzept dahinter“, erklärt Grohmann nämlich erstmal mit einer Selbstverständlichkeit, als habe sie zwischen Kaffeetasse und Sommersalat gerade das kleine Einmaleins vorgerechnet. Stille. Pause. Hilfloser Blick in Richtung Marie Bues. „Wir wollten die Regeln der Sprache unterwandern“, fügt sie schließlich hinzu. „Es geht darum, dass das Logo sich bewegt und unterschiedliche Formen annehmen kann“ Ah – jetzt. Die erste Welle der Erleichterung schwappt über. Gerade nochmal gut gegangen.

Jetzt ist es zwar nicht so, als wären Sätze wie dieser in einem Gespräch mit den beiden Intendantinnen nicht zu erwarten gewesen. Schließlich sind sie und ihr Theater ja bekannt für ihre Experimentierfreude und ästhetische Vielfalt. Doch, zugegeben, was genau das heißen soll, ist nicht unbedingt leicht zu verstehen: „Es geht uns prinzipiell um eine ästhetisch-moderne Ausformung der Gegenwartsdramatik und die zeitgenössische ästhetische Praxis am Theater, was überhaupt die ästhetische Performance meint“, erklärt Grohmann und nimmt einen Bissen von ihrem Salat. Auch hierauf folgt erstmal – Stille. Ist die Interviewerin vielleicht doch zu blöde fürs Theater?

„Wir wollten in den letzten Jahren unseren Stil zeigen. Ein Fokus liegt dabei Performancekunst und zeitgenössisches Theater“, ergänzt Marie Bues dann. Gott sei Dank, das kann man verstehen. Bues lacht. Denn genau dieses Gefühl beschäftigt auch die beiden Frauen. Für viele Menschen sei es eine Hürde, überhaupt ins Theater zu gehen – aus Angst, das Gezeigte nicht zu verstehen und so nicht in den elitären Kreis der Kunstkenner zu passen. Bues schüttelt den Kopf: „Ich finde, es ist wichtig, zu verstehen, dass Theater nichts Elitäres ist. Jeder soll damit seine individuellen Erfahrungen machen. Und das bitte auch bei uns.“