Im Interview erklärt Stefan Studt, der Chef der Bundesgesellschaft für Endlagerung, warum der Zeitplan für die Standortauswahl gescheitert ist.

Die Suche nach einem Ort für ein Atommüllendlager hat sich verzögert. Statt 2031 könnte es laut Szenarien nun sogar bis 2046 oder 2068 dauern, bis ein Standort genannt wird.

 

Herr Studt, Ihre Gesellschaft führt das operative Geschäft bei der Suche nach einem Atomendlager. Warum ist der Zeitplan ins Wanken geraten?

Das Datum 2031 steht im Standortauswahlgesetz in Verbindung mit dem Wort „angestrebt“. Der Termin war nicht mit einem konkreten Zeitplan hinterlegt, sondern eine Schätzung aus der Endlagerkommission. Dort ist aber schon damals vorgeschlagen worden, im Verlauf des Verfahrens einen realistischen Zeitplan zu erarbeiten. Die Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) ist dankbar für den Druck, den die Zahl 2031 ins Verfahren brachte. Ohne das ambitionierte Ziel wäre die Standortauswahl womöglich nicht so schnell ins Laufen gekommen.

Wie geht es jetzt weiter?

Wir erarbeiten nun aus den ersten Erfahrungen der Praxis eine Zeitabschätzung für die Vorlage eines Standortregionenvorschlags. Nach unserem Vorschlag für die Standortregionen für die übertägige Erkundung wird die Aufsichtsbehörde, das Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE), den Vorschlag prüfen und schließlich der Bundesgesetzgeber folgen.

Zuletzt ging es um methodische Fragen, etwa für Sicherheitsuntersuchungen, für geo- und planungswissenschaftliche Kriterien. Warum dauerte das so lange?

Ganz einfach: Das hat in dieser Form noch niemand gemacht. Die einschlägigen Verordnungen für diese erste Sicherheitsabschätzung liegen seit Herbst 2020 vor. Darin sind die Sicherheitsanforderungen und Vorgaben für die Sicherheitsuntersuchungen zusammengefasst. Doch wie das geht, muss sich die BGE selbst erarbeiten. Mit den Sicherheitsuntersuchungen will die BGE die großen Flächen und vielen Teilgebiete so weit eingrenzen, dass die Voraussetzungen für einen Standortregionenvorschlag geschaffen werden. Das Standortauswahlverfahren für ein Endlager für hoch radioaktive Abfälle ist ein einmaliges gesellschaftliches Jahrhundertprojekt, von dem wir wohl alle hoffen, dass es einmalig bleibt.

Droht mit dem Fall der Zahl 2031 der Suchprozess einzuschlafen? Auch die öffentliche Beteiligung?

Auf keinen Fall. Die BGE wird einmal im Jahr einen Arbeitsstand präsentieren, der zeigt, wie die Einengung der Gebiete voranschreitet und wo. Wir haben jeden Monat eine Vielzahl von Veranstaltungen, zu denen wir eingeladen werden – oft auf Kreisebene oder in Gemeinden, aber auch auf Landesebene. Das Nationale Begleitgremium (NBG) tagt jeden Monat öffentlich, es begleitet die Arbeit der BGE mit eigenen Gutachten und regelmäßigen Terminen zur Akteneinsicht. Zudem gibt es mit dem Forum Endlagersuche einmal im Jahr einen Ort der öffentlichen Erörterung.

Wie sieht ein neuer Zeitplan aus?

Die Frage können wir noch nicht seriös beantworten, sie hängt nicht nur von der BGE ab. Weitere Akteure bestimmen den Zeitbedarf, sei es durch die Prüfung unseres Standortregionenvorschlags durch das BASE oder das dann folgende Gesetzgebungsverfahren.

Die Schweiz plant ein Lager an der deutschen Grenze. Ist es vorstellbar, dass in der Nähe auch unser Lager entsteht?

Theoretisch ist das denkbar. Allerdings ist der Rhein auch eine geologisch relevante Grenze, weil sich dort eine große Störungszone entlangzieht. Der Opalinuston taucht dort auch sehr tief ab. Auf der schwäbischen Seite in Richtung Schwäbische Alb setzt sich das Teilgebiet im Opalinuston dann fort. Die konkrete Beantwortung dieser Frage muss also noch eine Zeit lang offen bleiben.