Die Verlegerin Ulla Unseld-Berkéwicz erringt einen Etappensieg, die Gläubiger billigen ihren Insolvenzplan. Doch der Streit geht weiter. Der Miteigentümer Hans Barlach will gegen das Votum klagen.

Berlin - Der Streit im Suhrkamp Verlag geht möglicherweise in die entscheidende letzte Runde, und die vorletzte hat die von Ulla Unseld-Berkéwicz geführte Familienstiftung (Mehrheitsgesellschafter mit 61 Prozent) gestern gewonnen: Die Gläubigerversammlung stimmte im Amtsgericht Berlin-Charlottenburg mit nur einer Gegenstimme dem Insolvenzplan zu, den die Suhrkamp-Geschäftsführer gemeinsam mit dem Sachwalter Rolf Rattunde und dem Generalbevollmächtigten Frank Kebekus erarbeitet haben. Die Gegenstimme stammt vom Minderheitsgesellschafter des Verlags, der von Hans Barlach geführten Medienholding AG (39 Prozent). Deren Rechtsvertreter legten vorsorglich Widerspruch gegen die Annahme des Insolvenzplans ein, möglicherweise, um in einigen Wochen, wenn auch das Amtsgericht Berlin-Charlottenburg den Plan bestätigt hat, Beschwerde einlegen zu können. Rolf Rattunde, der Insolvenz-Sachwalter bei Suhrkamp, ließ sich die Freude nicht nehmen: „Wir haben heute den entscheidenden Schritt getan, und ich gehe davon aus, dass wir in wenigen Wochen oder auch zwei Monaten – das hängt auch von vielen technischen Details ab – die Suhrkamp AG haben werden.“

 

„Freie Sitzwahl“, freute sich Marcel Beyer vor Beginn der Sitzung. Wie Rainald Götz, Thomas Meinecke und Durs Grünbein war er als einer der Autoren gekommen, die dank ausstehender Honorare Gläubiger ihres Verlags sind. Die meisten der 2500 Gläubiger ließen sich vertreten, 135 Personen waren anwesend. Anfangs schien die Sitzung länger zu dauern, die Vertreter der Medienholding sollen Anträge auf Vertagung und „Nichtfestsetzung“ des Stimmrechts gestellt haben. Dann ging es ganz schnell und so, wie es die Familienstiftung erhofft hatte.

Für die Medienholding Barlachs ist dies ein schwerer Schlag. Er hatte mit allen juristischen Mitteln gegen das Insolvenzschutzschirmverfahren gekämpft, mit dem, daraus machte der Sachwalter Rolf Rattunde in Interviews kein Hehl, Barlachs Rolle im Unternehmen minimiert werden soll. Anfangs hatte Barlach auch Erfolg: Auf seinen Antrag untersagte das Landgericht Frankfurt der Familienstiftung im September, bei der Gläubigerversammlung abzustimmen, weil der Insolvenzplan einseitig auf die Familienstiftung ausgerichtet sei. Damit wäre der Plan abgelehnt worden. Doch kurz darauf kassierte das Oberlandesgericht das Urteil. Daraufhin stellte die Medienholding beim Bundesverfassungsgericht (BVG) den Antrag, den Termin der Gläubigerversammlung zu verschieben, bis das BVG über Barlachs Verfassungsbeschwerde zu Rechtsschutzlücken im neuen Insolvenzrecht entschieden habe. Das BVG lehnte ab. Doch vermutlich wird es noch tätig werden.

Barlachs Sieg war wohl ein Pyrrhussieg

Im Schutzschirmverfahren soll Suhrkamp entschuldet werden, ohne dass das Unternehmen wie im normalen Insolvenzverfahren neue Eigentümer erhält. Der Plan sieht vor, die Verbindlichkeiten bei den beiden Großschuldnern Familienstiftung und Medienholding in Höhe von knapp acht Millionen Euro zu streichen. Es handelt sich um Gewinne aus den Jahren ab 2010. Es ist die Ironie der Geschichte, dass Barlach die jetzige Entwicklung anstieß, als er auf Auszahlung des Gewinns klagte und Erfolg hatte. Nun erweist sich dieser Sieg vermutlich als Pyrrhussieg.

Außerdem soll aus der Suhrkamp KG eine AG werden. In ihr verlöre Barlach wichtige Mitwirkungsrechte, die er gegen die Zustimmung zum Umzug von Frankfurt am Main nach Berlin 2010 ausgehandelt hatte. Zugleich soll ein dritter Aktionär aufgenommen werden, im Gespräch ist die Familie Ströher, Erben der Firma Wella. Diese „Verwässerung“ der Anteile ließe Barlachs Anteil unter die Sperrminorität sinken. Das gleichzeitige Abfindungsangebot beträgt nur knapp eine Million Euro. Barlach hat bisher wohl 12 Millionen für Suhrkamp ausgegeben.

Allerdings verliert auch Ulla Unseld-Berkéwicz, die bisher sämtliche Geschäftsführer bestimmte, also das operative wie das strategische Geschäft kontrollierte, ihren Einfluss auf die AG. Immerhin löst sie die offene Frage der Nachfolge – und hält Joachim Unseld, den Sohn des großen Verlegers, den sie aus dem Verlag drängte, weiter aus dem Spiel. Über die Auswirkungen der Unternehmensumbildung für das Programmprofil des Verlages wird in der nächsten Zeit zu reden sein. Aktieneigner sind viel weniger langfristig und an Inhalten interessiert als Personengesellschafter.