Harald Schmidt hat eine Idee gehabt, der SWR daraus mit viel Aufwand eine Serie fabriziert: „Labaule & Erben“ will knallharte Fakten aus der Medienbranche mit ordentlich Klamauk würzen. Ob’s gelungen ist?

Stuttgart - Babylon Berlin“ ist eine der faszinierendsten Produktionen der letzten Jahre. Der im Vergleich zur großen ARD geradezu winzige Pay-TV-Sender TNT hat allerdings mit Serien wie „4 Blocks“ oder „Arthurs Gesetz“ bewiesen, dass sich originelle Geschichten auch mit viel weniger Aufwand erzählen lassen.

 

Mit „Labaule & Erben“ hat sich der SWR nun an einer Serie versucht, die in eine ähnliche Richtung geht: viel zu schräg, um am Dienstagabend im Ersten zu laufen, aber auch kein reines Minderheitenfernsehen; so lautete vermutlich der Plan. Die Geschichte basiert auf einer Idee von Harald Schmidt, der in seinen Shows einst ja gern mal Grenzen verletzt hat, andererseits als Pausenclown auf dem ZDF-„Traumschiff“ hemmungslos im Mainstream mitschwimmt. „Labaule & Erben“ vom SWR will nun beides sein, speziell und doch mehrheitstauglich. Das ist das Problem.

Die erste Folge beginnt mit einem absurden Absturz: Vater und Sohn fahren mit Segways auf einen Abgrund zu, keiner will als Erster bremsen, beide sterben. Dabei erzählt das vielköpfige Autorengespann, das unter anderem auch an „4 Blocks“ beteiligt war, eine zumindest im Handlungskern durchaus ernst zu nehmende Geschichte: Nach dem Tod von Vater und Bruder muss sich Wolfram Labaule um die Geschicke des Freiburger Familienunternehmens kümmern. Die „Morgenschau“ ist eine regionale Qualitätszeitung, der Vater war ein angesehener Verleger und hinterlässt große Fußstapfen. Zu allem Überfluss hat Wolfram vom Verlagsgeschäft keine Ahnung. Der Mann ist ein Schöngeist und hat im Leben, wie seine Mutter feststellt, noch nie Verantwortung übernommen.

Irm Hermann spielt eine herrlich intrigante Mutter

Das wäre zweifellos ein guter Dramenstoff, zumal eine gute deutsche Journalistenserie ohnehin überfällig ist. Uwe Ochsenknecht versieht den traurigen Helden Wolfram zudem mit exakt der nötigen Würde, um ihn nicht zur Witzfigur werden zu lassen. Bizarrerweise liegt aber genau darin das Problem: weil die Figuren um ihn herum ausnahmslos Karikaturen sind. Irm Hermann verkörpert Wolframs Mutter Marianne als skrupellose Intrigantin, die den Verlag an den Konkurrenten Prescher (August Zirner) verkaufen will und alles tut, um Wolfram zu diskreditieren. Eines ihrer Werkzeuge ist Enkel Tristan (Lukas Rüppel), ein Riesenbaby, das sein Vermögen in unnütze Start-ups investiert und den Verlag als „Innovation Manager“ in eine neue Zukunft führen soll.

Freundin Vanessa (Jil Funke) ist als hirnloses Youtube-Sternchen genauso überzeichnet wie ein Lebenstrainer, den Marianne ihrem Sohn auf den Hals hetzt. Der Mann gibt ausnahmslos modische Anglizismen und Ratgebersätze von sich („Es gibt keine Probleme, nur dornige Chancen“) und überredet Wolfram, mit der Redaktion zwecks Teambuilding einen Ausflug in den Wald zu machen.

Regie führte Boris Kunz, der mit „Hindafing“ (2017) eine echte Überraschung bereitet hat. Womöglich hat man sich angesichts der bayerischen Serie beim SWR gedacht: So etwas wollen wir auch, aber anders, nach Möglichkeit besser, größer, flotter und witziger. Deshalb wird ständig signalisiert, dass „Labaule & Erben“ etwas Besonderes sein soll: mit pfiffigen Einstellungen, unmotivierten Zeitlupeneinlagen und einer extravaganten Musikauswahl. Auf diese Weise weckt die Serie Erwartungen, die sie nicht einhält.

Ernsthaft oder bizarr? Die Handlung kann sich nicht entscheiden

Vermutlich hätte „Labaule & Erben“ – der Titel erinnert optisch an die erfolgreiche SWR-Serie „Laible und Frisch“, wird aber französisch ausgesprochen – trotzdem eine interessante und spannende Serie werden können, wenn sich die Verantwortlichen darauf verständigt hätten, eine gradlinige Geschichte über die heutigen Herausforderungen eines Zeitungsverlags zu erzählen. Neben den Karikaturen gibt es mehrere Figuren, die ganz normal sind. Die Verlagsstrategin (Marlene Morreis) versucht, den Kurs zu halten, der Chefredakteur (Dieter Puck) kämpft um den guten Ruf des Blatts, und der Feuilletonchef (Felix von Manteuffel) hätte am liebsten eine Zeitung ohne Reklame. Auch die Konflikte sind realitätsnah: Labaules erste Herausforderung ist die angeblich in Aleppo entstandene Fotoserie eines renommierten Fotografen. Die Bilder sind inszeniert, der Verleger beendet die Zusammenarbeit, was ihm die Bewunderung der Redakteure einbringt – bis die „Morgenschau“ wegen der Fotos für einen bedeutenden Medienpreis vorgeschlagen wird – Bezüge zu aktuellen Vorfällen rein zufällig! Als zweischneidig entpuppt sich auch eine mutige Kolumne, in der sich Labaule gegen die Anschaffung von Neuwagen ausspricht; prompt storniert die Autoindustrie ihre Anzeigen.

Als fürchteten sie, die Serie könne wegen solcher Konflikte zu seriös wirken, konterkarieren die Autoren diese Szenen mit deftigen Momenten: Constanze (Lena Dörrie), Tochter des neuen Verlegers, gönnt sich und ihrem Chef (Jockel Tschiersch) nach der Beerdigung des Großvaters einen Quickie auf dem Parkplatz, und Labaules unterbeschäftigte Frau (Inka Friedrich) ballert gemeinsam mit dem neuen arabischen Nachbarn (Husam Chadat), den sie zunächst für einen Schläfer hält, auf Gartenzwerge. Gemessen an solchen Drehbuchideen ist der Titel der Autobiografie vom Verlagskonkurrenten Prescher ein intellektueller Höhenflug: „Under Prescher“.

Termin: Das SWR Fernsehen zeigt Folge 1 der Serie am Donnerstag, den 10. Januar 2019, um 22 Uhr. Jeden weiteren Donnerstag folgt eine weitere Folge. Die komplette Serie ist bis Mitte des Jahres in der SWR Mediathek abrufbar.