China prescht bei der Anwendung der Genschere Crispr am Menschen voran. Das birgt sowohl medizinische als auch ethische Risiken.

Wissen/Gesundheit: Werner Ludwig (lud)

Shenzhen - Noch fehlt die endgültige Bestätigung, doch die Meldung aus China klingt glaubwürdig. Dort wurde offenbar erstmals ein Zwillingspärchen geboren, dessen Erbanlagen mit der Genschere Crispr verändert wurden – mit dem Ergebnis, dass die Mädchen resistent gegen das Aids-Virus sein sollen. Die Forscher bekräftigen, die Methode beim Menschen nur im Kampf gegen Krankheiten einsetzen zu wollen und nicht etwa zur genetischen Optimierung des Nachwuchses. Doch wenn die neuen Möglichkeiten erst mal etabliert sind, wird auch die Nachfrage nach Designerbabys steigen. In Ländern mit laxen Ethikregeln dürfte es bald entsprechende kommerzielle Angebote geben.

 

Gentechnische Veränderungen an den Keimzellen sind aus medizinischer Sicht besonders riskant. Denn sie werden an folgende Generationen weitergegeben. Crispr ist zwar viel genauer als die bisherige Gentechnik, trotzdem lässt sich auch hier nicht ausschließen, dass Veränderungen im Erbgut zu unerwarteten Effekten führen, die dann nicht nur ein Individuum betreffen würden. Viele Mediziner warnen deshalb zu Recht vor einem schnellen Einsatz von Crispr am Menschen.

Der Blick zurück zeigt allerdings, dass viele anfangs umstrittene Methoden der Reproduktionsmedizin sich nach anfänglicher Skepsis am Ende doch durchgesetzt haben. Für alle Zeiten gültige Stoppschilder, wie sie manche Ethiker gerne hätten, werden sich angesichts immer neuer Möglichkeiten nicht aufstellen lassen. Die Frage, wie weit Forscher gehen dürfen, muss also immer wieder neu beantwortet werden. Die Chinesen haben jetzt offenbar eine Antwort gefunden, die vielen große Sorge bereitet – zu Recht.