Am liebsten wäre es den Mitarbeitern der Tafel Waiblingen, wenn es ihren Laden nicht geben müsste. Doch auch 15 Jahre nach der Gründung sind viele Menschen auf die günstigen Lebensmittel angewiesen. Wir haben nachgefragt, was sich seit dem Jahr 2004 geändert hat.

Waiblingen - „Wir freuen uns über jeden Kunden, der nicht kommen darf“ – schon dieser Satz zeigt, dass Elke Schütze für einen besonderen Laden tätig ist. Seit sieben Jahren engagiert sich die 68-jährige Waiblingerin aktiv bei der Tafel in Waiblingen, die am Samstag ihren 15. Geburtstag feiert. Elke Schütze ist im Vorstand aktiv, arbeitete früher in der Küche und heute in der Kleiderkammer. Einkaufen dürfen im Tafelladen nur Menschen, die aufgrund ihres geringen Einkommens dazu berechtigt sind. Was erklärt, wieso Elke Schütze und ihre Mitstreiter am allerliebsten gar keine Kundschaft hätten.

 

Die Realität sieht allerdings anders aus: heute wie bei der Gründung der Tafel vor 15 Jahren gibt es viel zu viele, die darauf angewiesen sind, im Tafelladen günstig einkaufen zu können. Die Regale werden dort mit überschüssiger, aber qualitativ einwandfreier Ware befüllt, welche Lebensmittelläden zur Verfügung stellen. Wie jeder andere, der mit Lebensmitteln umgeht, müssen auch die Tafelläden mit Besuch von Lebensmittelkontrolleuren rechnen, die Hygieneverordnungen genau einhalten und dafür sorgen, dass die Kühlkette nicht unterbrochen wird.

Radieschen sind Ladenhüter, Tomaten ein Verkaufsschlager

Radieschen seien Ladenhüter, sagt Elke Schütze, Tomaten, Paprika und weißes Brot die Topseller in der Tafel Waiblingen, die eine Regiotafel ist. Das heißt, sie bekommt auch Großspenden, die von Waiblingen aus an weitere Tafeln in Winnenden, Murrhardt, Welzheim oder Weinstadt verteilt werden. „Ich dachte lange, wir Tafeln bekommen viele Lebensmittel – aber tatsächlich sind es nur fünf Prozent der Lebensmittel, die auf dem Müll landen. Ich hätte auf 50 Prozent getippt“, sagt Elke Schütze.

Die Kundschaft ist bunt gemischt, von Senioren, die gut 20 Prozent ausmachen, bis zur jungen Familie. „Wir haben 750 Ausweise ausgegeben, damit versorgen wir rund 2000 Menschen“, erzählt Elke Schütze, die lange als Integrationsbeauftragte bei der Stadt Waiblingen gearbeitet und schon damals dienstlich mit der Tafel zu tun hatte.

Das Image der Tafeln habe sich sehr zum Positiven gewandelt, sagt sie: „Von der Armenspeisung zum Sozialprojekt.“ Anfangs sei die gesamte Bewegung, die mit Gründung der ersten Tafel 1993 begonnen hatte, eher belächelt worden, deren Kundschaft, so die durchaus verbreitete Meinung, sei selbst schuld. „Durch die Wirtschaftskrise 2009 hat sich das geändert. Da wurden Leute arbeitslos, die das nie gedacht hätten.“

Tafeln als Spiegelbild der Gesellschaft

So habe sich auch der Blick auf das Thema Armut verändert. Die wachse gerade bei älteren Menschen, sagt Elke Schütze, stark betroffen seien ältere Migranten, die in den Sechzigern und Siebzigern herkamen und schlecht bezahlte Jobs ausführten. „Wir sind ein Spiegelbild gesellschaftlicher Entwicklungen“, sagt Schütze: Geht der Arbeitsmarkt in Richtung Vollbeschäftigung, haben die Tafeln weniger Kunden. Im Jahr 2015, als viele Menschen vor Krieg und Armut nach Deutschland flüchteten, standen die Kunden Schlange.

Diese dürfen einmal pro Tag im Laden einkaufen. Gerade für ältere Menschen sei das eine willkommene Abwechslung im Alltag, wobei so mancher trotz des Imagewandels der Tafeln noch Schwellenangst habe. In Waiblingen wie auch sonst in Baden-Württemberg dürfen die Berechtigten selbst entscheiden, was sie in den Einkaufswagen legen. In anderen Bundesländern bekommen Kunden eine fertig gepackte Tüte.

Was hält eine engagierte Tafel-Mitarbeiterin vom französischen Gesetz, das verbietet, Lebensmittel wegzuwerfen? An sich sei das schon sinnvoll, aber etwas zu kurz gesprungen, sagt Elke Schütze – denn die Tafeln bräuchten dann auch eine entsprechende Ausstattung: mehr Platz, mehr Kühlmöglichkeiten, mehr Fahrzeuge und Mitarbeiter.

Basisarbeit für eine gute Ernährung

Apropos Gesetz: über den Dachverband der europäischen Lebensmittelbanken versuchen die Tafeln, Einfluss auf die Gesetzgebung zu nehmen, auch der Bundes- und der Landesverband bemühen sich um Einfluss auf politische Entscheidungen. „Uns wird vorgeworfen, dass wir Armut stabilisieren, weil sich die Leute nicht um Arbeit zu bemühen bräuchten“, sagt Elke Schütze, die das anders sieht: „Wir machen Basisarbeit, damit sie sich gut ernähren können.“

Festprogramm der Tafel Waiblingen

Geburtstag:
Bei der Tafel in Waiblingen engagieren sich zwei Hauptamtliche und 80 Ehrenamtliche. Sie feiert am Samstag, 28. September, im Schlosskeller von 12 Uhr an ihr 15-jähriges Bestehen mit einer „Langen Tafel Spezial“. Es gibt ein kaltes Büffet, Kaffee und Kuchen, einen Schokobrunnen und Live-Musik von den Bands Sound of Gambia und Waschbrett. Zudem zeigt der Filmclub einen Film über die Tafel in Waiblingen. Beim Fest kann man auch haltbare Lebensmittel spenden, die im Laden an die Kundschaft weitergegeben werden.

Veranstaltungen
: Am 10. November können Interessierte zwischen 11.30 und 14.30 Uhr hinter die Kulissen des Ladens in der Fronackerstraße 70 schauen. Am 24. Oktober spricht Thomas Stürmer von der Diakonie Württemberg von 18.30 Uhr an bei der VHS am Postplatz über „Armut in Waiblingen – Fakten, Erfahrungen, Austausch“. Am 16. Oktober zeigt das Kommunale Kino von 20 Uhr an im Traumpalast Valentin Thurns Film „10 Milliarden – wie werden wir alle satt?“