Wahlschlappe der Union bei der Bundestagswahl, Österreichs Kanzler Kurz tritt zurück – bei „Markus Lanz“ war gleich beides Thema. Aus unerwarteter Ecke hieß es: Wir brauchen starke konservative Parteien.

Digital Desk: Sascha Maier (sma)

Hamburg - Kai Wegner, der Landesvorsitzende der CDU in Berlin, hat Mut bewiesen. Nicht wie jeder Politiker, der sich Markus Lanz in seiner Talkrunde stellt und mit unangenehmen Fragen des ZDF-Talkmasters rechnen muss, sondern gleich doppelt. Denn am Dienstagabend ging es einerseits um die Wahlniederlage der CDU bei der Bundestagswahl, anderseits um den Rücktritt des österreichischen Schwesterpartei-Kanzlers Sebastian Kurz nach der Korruptionsaffäre. Umgeben von Grünen-Politiker Jürgen Trittin, „Falter“-Chefredakteur Florian Klenk und der Literaturkritikerin Elke Heidenreich war klar, wer hier die Zielscheibe auf der Stirn trug.

 

Ganz so schlimm, wie vielleicht bei Themen und Gästen anzunehmen war, sollte es für Wegner aber nicht werden. Auch, weil ihm jemand aus unerwarteter Ecke beisprang.

Aber auf Anfang: Erst mal kam Markus Lanz auf Sebastian Kurz zu sprechen, zu dem sich Kai Wegner als Konservativer stellvertretend äußern sollte. „Politisches Talent“, fiel diesem da ein – zu den aktuellen Vorwürfen wollte sich der CDU-Politiker nicht weiter äußern, er sei da im Thema nicht so drin. Geschickt, dass Florian Klenk schräg gegenüber saß – der „Falter“ begleitet den Fall bis ins kleinste Detail. Und der Journalist erklärte auch dem Zuschauer, worum es in dem kleinen Nachbarland gerade eigentlich genau geht.

Wilde Geschichten aus Österreich

Hierzulande würde man es mit einem Wort vielleicht „Filz“ beschreiben, was in Österreich herrscht, so die Vorwürfe denn stimmen. Demnach habe Kurz, damals noch Außenminister, sich schuldig gemacht, frisierte Studien zu zahlen und diese als Anzeigen unters Volk zu bringen, „Fake News“, erklärte Klenk. Es gehe um die auch in Österreich rechtswidrige Vermengung vom Anzeigengeschäft und wohlwollender Berichterstattung. Klenk sprach von sogenannten „Packages“, Inserate gegen positive Berichterstattung, die nicht aus der Parteikasse, sondern von Ministerien – also auch noch Steuergeld – bezahlt worden seien.

In Deutschland, das machte Klenk deutlich, seien solche Zustände undenkbar. So habe eine Illustrierte in Österreich einmal die ÖVP-kritische Geschichte veröffentlicht, woraufhin das ÖVP-geführte Finanzministerium dem Verlag sämtliche Inserate gestrichen habe: „Man stelle sich das mal in Deutschland vor: Giovanni di Lorenzo veröffentlicht eine CDU-kritische Geschichte in der „Zeit“ und das Bundesfinanzministerium streicht alle Anzeigen; das wäre das Ende des Finanzministers.“

Ausgerechnet der Bundesfinanzminister, hat der zwischenzeitlich etwas aus der Schusslinie geratene CDU-Mann Wegner vielleicht gedacht, denn damit war die Überleitung nach Deutschland perfekt, wo der Finanzminister Olaf Scholz heißt, Kanzlerkandidat ist und die CDU bei der Bundestagswahl geschlagen hat. Markus Lanz war beim nächsten Themenkomplex angekommen: der Zustand der Christdemokraten.

„Philipp Amthor ist jetzt schon älter als ich, und ich bin fast 80“

Wie es denn nun weitergehe? Der Berliner CDU-Politik Kai Wegner sprach von „modernem Konservatismus“, worunter sich der Rest der Runde wenig vorstellen konnte, am ehesten vielleicht noch Jürgen Trittin: „Ich glaube, Deutschland braucht eine demokratische konservative Partei, die anschlussfähig bleibt.“ Für die Schriftstellerin Elke Heidenreich klang das weniger überzeugend: „,Moderner Konservatismus, was soll das sein? Philipp Amthor ist jetzt schon älter als ich, und ich bin fast 80.“

Ausgerechnet Trittin war es, von dem sich Wegner Vorschläge anhören musste, die er nickend und unwidersprochen zur Kenntnis nahm. „Die CDU braucht eine Idee: Was will ich eigentlich in diesem Land machen?“, sagte der Grünen-Politiker. Und darüber müsse Konsens herrschen. Er beschrieb das Spannungsfeld der Union: CSU mit „Bayern first“, der Osten im Kampf mit der AfD, die CDU in den Großstädten, die moderner werden will.

Wen müssten die Grünen bei der CDU anrufen?

Es wurde auch über ein hypothetisches Jamaika-Modell gesprochen, sollten die Ampel-Sondierungen mit SPD, Grünen und FDP am Freitag scheitern. „Wen müssten die Grünen in diesem Fall anrufen?“, fragte Lanz Trittin. Der wusste es nicht, zu ungeordnet komme ihm die CDU aktuell vor. In Richtung Wegner fragte Lanz dann: „Laschet?“ Dieser lavierte etwas herum, was Heidenreich konsequent als „Eiertanz“ bezeichnete. Laschet sei Moderator, wer auf ihn folge, nicht klar. Ob Laschet insgeheim auf das Platzen der Ampel-Sondierungen hoffe und so durchs Hintertürchen doch noch in Kanzleramt einziehen könnte, wollte Kai Wegner jedenfalls nicht beantworten. Womöglich wusste er es auch einfach wirklich nicht.

Jürgen Trittin jedenfalls erinnerte sich an 1998. Nach Helmut Kohls Wahlniederlage gegen Gerhard Schröder habe die Union ihre Oppositionsrolle angenommen: „Das sehe ich heute nicht.“