Seit Juni 2019 gibt es den Unverpackt-Laden in Stuttgart-Sillenbuch. Seither fragen Kunden täglich per Mail oder im Geschäft, wie die Waren eigentlich angeliefert werden. Wir durften einen Blick ins Lager werfen.

Sillenbuch - Ein Bild sagt manchmal mehr als tausend Worte. Auch Maarit Schneider-Penna lässt Fotos sprechen. Sie ist mit einer Kamera durch ihr Warenlager gegangen, und die Bilder hängen jetzt im Verkaufsraum. Die Kunden von Tante M. in Sillenbuch haben viele Fragen. Seit Juni 2019 gibt es den Unverpackt-Laden. Reis, Duschgel oder Müsli kann man sich in mitgebrachte Gefäße abfüllen – ohne Verpackungsmüll. Doch wie werden die etwa 450 unterschiedlichen Produkte angeliefert? „Die Leute fragen täglich per Mail, telefonisch oder im Laden“, sagt die Inhaberin. „Sie wollen wissen: Spare ich tatsächlich Müll? Das ist berechtigt, ich habe mich das anfangs auch gefragt.“

 

Das 18 Quadratmeter große Lager ist bis unters Dach voll. Extra große Gebinde brauchen extra viel Platz. Die meisten Produkte kommen in Zehn- bis 25-Kilo-Tüten aus doppelwandigem Papier. Bestimmte Nudelsorten bezieht die 47-Jährige in Kartons, Handcreme, Gemüsebrühe oder Kakao in Pfandeimern, Reiniger in Kanistern. Aber: Im Lager von Tante M. finden sich auch Kunststoffverpackungen. Speisesalz, Nüsse oder Trockenfrüchte werden komplett in Plastikbeuteln geliefert oder auch in Verpackungen, die einen Synthetikanteil haben. Oft gibt es aus hygienischen oder liefertechnischen Gründen keine Alternative, stellt Maarit Schneider-Penna klar. Waschsoda etwa nimmt leicht Feuchtigkeit aus der Luft auf. Auch Spaghetti bezieht sie in Fünf-Kilo-Plastikbeuteln, „die sind so brüchig. Ich habe die noch nicht anders bekommen“.

Folie ist nicht gleich Folie

Wer fragt, wird aufgeklärt, und auch durch den Laden werden die Kunststoffhüllen offen getragen. „Ich habe nichts zu verstecken“, betont Maarit Schneider-Penna. Doch Folie ist nicht gleich Folie. Gummibärchen kommen in erdölfreien Beuteln, „die verwenden wir dann für Restmüll“, andere Produkte in einer biologisch abbaubaren Zellglasfolie. Alles in allem komme man bei Tante M. auf einen Gelben Sack pro Abholung, außerdem auf zwei volle Papiermülltonnen. „Papier ist auch nicht immer umweltfreundlicher. Es ist eine Gratwanderung“, sagt Maarit Schneider-Penna. Vieles müsse sich noch finden, „ich bin Quereinsteigerin“, betont sie. Für Gewürze beispielsweise habe sie erst einen Lieferanten suchen müssen, der Pfandeimer nutze. Nicht jede Umstellung laufe reibungslos. Nach dem Wechsel von Folien- zu Karton-Cornflakes seien etliche Kunden mit dem Geschmack unzufrieden, „jetzt wissen wir nicht, was wir machen sollen“. Der Erfahrungsaustausch mit Gleichgesinnten hilft. Bundesweit gibt es (Stand: 6. Januar) 150 Verpackungsfrei-Geschäfte, mehr als die Hälfte der Betreiber ist Mitglied im Berufsverband der Unverpackt-Läden.

Cashewnüsse gehen nicht ohne Plastik, sagt der Experte

„Ja, wir produzieren noch Müll“, sagt auch Gregor Witt, der Verbandsvorsitzende. Man sei abhängig von Erzeugern, und auch die könnten in vielen Fällen nicht einfach hoppladihopp die Produktion ändern. „Es gibt Grenzen“, betont er, „es gibt Cashewnüsse nicht ohne Plastik, da können sie sich auf den Kopf stellen, die überleben den Transport aus Afrika nicht“. Der Verband setze sich dafür ein, dass dort, wo es sinnvoll sei, Mehrweg eingeführt werde und anderswo zumindest pflanzenbasierte und recycelbare Stoffe genutzt würden. „Wir sind als Pioniere angetreten, um etwas zu verbessern, aber das dauert“, sagt Witt.

Augenwischerei ist das Unverpackt-Prinzip dennoch nicht, betonen beide Ladenbetreiber. Eine Großverpackung erzeuge deutlich weniger Müll als viele kleine. Das Bundesprogramm Ökologischer Landbau und andere Formen nachhaltiger Landwirtschaft (Böln) hat das jüngst bestätigt. In einer Studie fielen in Unverpackt-Läden im Schnitt 84 Prozent weniger Verpackungsmüll an als in Bioläden.