Ausdruck, Technik, Sprungkraft: Der Stuttgarter Tanznachwuchs zeigt sich in Bestform. Eine Schülerin der Abschlussklasse präsentiert drei eigene Choreografien.

Stuttgart - Er gehört zu den großen Choreografen – und zu jenen, die zu früh gehen mussten: Uwe Scholz, der von 1973 bis 1979 die John Cranko Schule besuchte, beim Stuttgarter Ballett mit 22 Jahren unter Marcia Haydee seinen ersten Choreografenvertrag erhielt, für seine sinfonischen Ballette gefeiert wurde. Nun wäre er sechzig Jahre alt. Zu Recht Grund für Tadeusz Matacz, Direktor der Cranko Schule, Scholz bei der jährlichen Matinee zu feiern. Mit dessen unvergesslichem „Air!“ eröffnete er den Ballettmorgen – getanzt in neuer Besetzung mit der Absolventin Ji Soo Park und Studierenden der Klasse 6b sowie der Akademie A & B. Nicht nur hier, auch in den „Ausschnitten aus der Schöpfung“, die Scholz zu Joseph Haydn schuf, zeigte sich einmal mehr dessen Genialität und Musikalität.

 

In seinen Soli, Pas de deux und Gruppenszenen definierte er klassischen Tanz neu, indem er die Tradition wohl ehrte, sie aber mit feinen zeitgenössischen Elementen in die Moderne führte: glasklar im Aufbau, jede Szene ein Bild, dabei komplex in den Hebungen und Drehungen – darum umso schwerer zu tanzen. Die Studierenden meisterten diese Herausforderungen bestens, in der „Schöpfung“ insbesondere die Solisten Gabriel Figueredo, Yuki Wakabayshi und Alexander Smith.

Smarte Jungs, Mädchen in Blütenröcken

Zu sehen waren überdies alte Bekannte – George Balanchines neoklassisches „Glinka Pas de trois“ oder Stephen Shropshires vielschichtiges Frau-zwischen-zwei-Männern-Stück „Lamento dessa Ninfa“ zu Ane Bruns eindrücklicher Stimme erfreuen stets. Aber auch Neues war im Programm. Stefania Sansavini und Valentina Falcini choreografierten für die Jüngsten, die Klassen 1, 2 und 3, mit der Erstaufführung „Viva Vivaldi“ eine prachtvolle Adaption höfischen Tanzes, mit einigen smarten Jungs und vielen Mädchen in halblangen Blüten- und Glitzerröcken.

Als „Basis für künftige Erfolge“, beschreibt Ballettdirektor Matacz im Programm diese „Welt voller Harmonie, Ordnung, Musikalität, Disziplin“. Die war denn auch in Jules Perrots romantischem „Najade und der Fischer“ zu erleben, aus dem die Fünft- und Sechstklässler Teile interpretierten. Eine reife Leistung auf die Bühne brachte Motomi Kiyota (Akademie A): Er zeigte nicht nur im Balanchine, sondern auch in Catarina Antunes Moreiras „Todos os ais são meus“ Sprungkraft und Ausdruck.

Charmante „Etüden“ im großen Finale

Der war – neben Technik und akrobatischen Fähigkeiten – auch bei der Uraufführung „Test Run“ gefragt, kreiert von Tabitha Dombroski aus der Abschlussklasse. Zu Wiener Klassik, genauer Joseph Haydn, schickte sie 15 Schüler der Klassen 5, 6 und der Akademie A, alle in schwarzen Midi-Overalls, durch rasante zeitgenössische Bewegungsphrasen mit Körperwellen, eingesprungenen Kicks, Bogengängen oder Salti. Und Dombroski steuerte noch zwei weitere Stücke zur Matinee bei: Während Javier Gonzales Cabrera zu Antony and the Johnsons unter die Haut gehendem „Cut the World“ klassisch den Zustand der Welt beklagte, versuchten Joshua Green und Angelo Minacori tanztheatralisch in einen „Meditative State“ zu kommen. Zu einem Mix aus Musik und Text, der ganz im Yogi-Sinne für alle Erdenwesen Liebe, Achtsamkeit und Respekt propagierte. Nach dem großen Finale – wieder kamen alle Klassen zu den charmanten „Etüden“ auf die Bühne – gab es stehende Ovationen und Bravorufe.

Die John Cranko Schule ist am Sonntag, 21. Juli, um 11 Uhr beim „Ballett im Park“ zu erleben.