Weil das Tanzcafé Melodie schließt, sucht das Inklusionsprojekt nach neuen Räumen. Doch eine Alternative ist nicht in Sicht. Nach 100 Veranstaltungen könnte bald Schluss sein.

Bad Cannstatt - Zeit zum Tanzen“, so lautet nicht nur das Motto des Tanztreffs, der einmal im Monat sonntags im „Melodie“ in der Cannstatter Wilhelmstraße stattfindet. „Zeit zum Tanzen“ heißt auch der Name des Vereins, der sich seit rund sieben Jahren für die Inklusion von behinderten Menschen einsetzt. Ein Erfolgsprojekt: Regelmäßig treffen sich rund 80 behinderte und nicht behinderte Menschen, um gemeinsam das Tanzbein zu schwingen.

 

Initiatorin Jutta Schüle befindet sich seit rund einem Monat dennoch im Ausnahmezustand. Der Grund: Ende Dezember schließt das Tanzcafé nach mehr als 40  Jahren seine Pforten. Zu den Details, weshalb der Pachtvertrag beendet wurde, will sich der Hausverwalter nicht äußern. Nachbarn hatten sich jedoch offenbar am Lärm gestört und Unterschriften gegen den Fortbestand gesammelt.

Geeignete Lokale gibt es nicht

„Ich bin wirklich verzweifelt. Die Suche nach einer Alternative ist eine sehr große Herausforderung“, so Jutta Schüle. Wie wichtig die Einrichtung den Teilnehmern ist, zeigt das Engagement einer älteren, alleinstehenden Dame. „Sie läuft von Kneipe zu Kneipe und fragt, ob ein Platz für uns frei ist.“ Auch Jutta Schüle hat sich im Stadtgebiet umgehört. Bisher seien die Rückmeldungen aber überschaubar. „Wirklich geeignete Lokale gibt es einfach nicht.“ Die Rosenau im Stuttgarter Westen beispielsweise sei von den Räumlichkeiten geeignet. „Der Betreiber hat jedoch sonntags Ruhetag und will diesen auch nicht aufgeben.“

Andere Kulturstätten wie das Merlin oder das Laboratorium seien schlichtweg zu teuer. Denn klar ist, der Verein „Zeit zum Tanzen“ kann sich keine großen finanziellen Sprünge erlauben. „Das Melodie ist nicht nur von der Lage ideal.“ Der Inhaber, Ahmet Tur, habe keine Miete verlangt, einen DJ gestellt und auch die Gema-Gebühren übernommen. „Außerdem empfängt er uns immer mit einem selbst gebackenen Kuchen.“ Sie habe noch einen Restfunken Hoffnung, dass Ahmet Tur neue Räumlichkeiten findet, dann „würde ich natürlich mitgehen“.

Betreiber muss aufgeben

Noch sieht es danach jedoch nicht aus. „Ich habe mich umgeschaut, aber bislang keinen passenden Ersatz gefunden“, sagt der Betreiber, der das Tanzcafé vor knapp 14 Jahren übernommen hat. „Ich bin traurig, dass ich es aufgeben muss“, räumt Tur ein.

Da er schon Mitte Dezember seine Möbel ausräumen wird, bittet Schüle wohl nur noch einmal zum Tanz. Anschließend könnte das „soziale Projekt, das in Deutschland einzigartig ist“, so Schüle, nach rund 100 Veranstaltungen mit insgesamt 4000 Teilnehmern vorerst beendet sein. „Es wäre wirklich schade, da Behinderte mit und ohne Betreuer hier gemeinsam mit den Stammgästen ausgelassen und ohne Vorurteile feiern.“ Das sei gelebte Inklusion.

Erschwerend bei der Suche nach neuen Veranstaltungsräumen komme hinzu, dass Schüle gerade mitten in den Planungen für die zweite Stuttgarter Inklusionsgala steckt. „Mir fliegt leider gerade alles um die Ohren.“ Die Veranstaltung findet am Sonntag, 4. November, ab 18 Uhr in der Liederhalle statt. Nach Grußworten von Sozialbürgermeister Werner Wölfle wird Simone Fischer, die Beauftragte der Landeshauptstadt Stuttgart für Menschen mit Behinderung – aus ihrer Sicht berichten, was sich hinter dem Tanztreff in Bad Cannstatt verbirgt.