Das private Omnibusgewerbe in Baden-Württemberg erlebt seinen bisher härtesten Tarifkampf. Am Freitag kommt es zur entscheidenden Verhandlungsrunde. Vordergründig geht es lediglich um höhere Löhne. Dahinter stecken aber massive Probleme der Branche.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Stuttgart - An diesem Freitag wird sich entscheiden, ob nächste Woche ein Arbeitskampf im privaten Omnibusgewerbe Baden-Württemberg beginnt. Nach ihrer Urabstimmung gibt die Gewerkschaft dem Arbeitgeberverband WBO eine letzte Chance. Dieser hatte signalisiert, sein Angebot nachbessern zu wollen. Sollte aber kein Kompromiss gelingen, wird es von Montag an mehr als nur eintägige Streiks geben. Verdi hat bereits einige Busbahnhöfe auch in der Region Stuttgart für ihre Kundgebungen reserviert. Auch flexible, unangekündigte Ausstände in mehr als 20 davon tangierten Firmen wären dann möglich. Speziell für den Schülerverkehr ist diese Unsicherheit ein enormes Handicap.

 

Nie zuvor wurde die Branche von einer solch erbitterten Auseinandersetzung erschüttert. Dabei sind die Kontrahenten beim Lohn gar nicht mehr weit auseinander: Ursprünglich hatte Verdi 5,8 Prozent mehr Lohn für die insgesamt 9000 Busfahrer gefordert. Nun betont Verhandlungsführer Andreas Schackert gegenüber unserer Zeitung, der Abschluss sollte mindestens 3,3 Prozent und 2,3 Prozent Lohnerhöhung in den kommenden 24 Monaten umfassen – dies gilt am Verhandlungstisch sozusagen als rote Linie. Das jüngste Arbeitgeberangebot von 3,0 und 2,3 Prozent haben die Verdi-Mitglieder in ihrer Urabstimmung mit sehr großer Mehrheit zurückgewiesen.

Immer mehr Firmen beschäftigen ausländische Fahrer

Streikende Busfahrer kurzfristig zu ersetzen, ist praktisch kaum möglich. Denn erstens fehlen ohnehin schon 800 Chauffeure im Land, und zweitens müssten Ersatzkräfte auf der jeweiligen Linie erst eingewiesen werden. Generell sind ortsfremde Fahrer, auch aus Süd- oder Südosteuropa, allerdings keine Seltenheit mehr. Selbst Unternehmen in Tarifbindung setzen auswärtige Fahrer ein, die mitunter ein Navigationsgerät benötigen. Etliche werden dann gemeinschaftlich in der Nähe ihrer Zentrale untergebracht und haben für Heimreisen längere Freizeiten. „Es gibt auch Fahrer, die kein Deutsch sprechen und die Kunden daher nicht beraten können“, sagt Schackert. „Das breitet sich immer mehr aus.“ Die für die Kontrolle zuständige Landkreise drückten beide Augen zu – Hauptsache, der Busverkehr rolle.

Als noch größeres Hindernis sieht die Gewerkschaft die Tarifflucht. Etwa 350 Mitgliedsunternehmen hat der Arbeitgeberverband. Darüber hinaus orientieren sich etliche Firmen am Tarifvertrag. Schackert berichtet von einem Unternehmer, der zwar am Verhandlungstisch sitzt, dessen Betrieb aber nicht der Tarifbindung unterliegt – ein Kuriosum. Er wirft der Gegenseite vor, die Abkehr vom Tarif offensiv zu bewerben. Der Busverkehr im öffentlichen Auftrag unterliegt eigentlich dem Landes-Tariftreuegesetz. Bei eigenwirtschaftlichen Verkehren – bei denen die Firmen frei am Markt ohne öffentliche Zuschüsse fahren – werde die Einhaltung des Tarifvertrags aber zu wenig überwacht, rügt Verdi. Dies begünstige Tarifdumping.

Der WBO verweist auf einen wachsenden Konkurrenzdruck durch EU-weite Linienausschreibungen und Unsicherheiten bezüglich drohender Dieselfahrverbote, die den Firmen zusätzlich zu schaffen machen. Zudem werde im Südwesten mit mehr als 17 Euro pro Stunde schon jetzt der „mit Abstand höchste Tariflohn“ im privaten Omnibusgewerbe bundesweit gezahlt.