Die Gewerkschaft Bau hat die Tarifrunde im Bauhauptgewerbe für gescheitert erklärt. Nun muss der Schlichter ran. Bleibt er erfolglos, droht nach 16 Jahren mal wieder ein Arbeitskampf.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Stuttgart - Die Tarifrunde für die 800 000 Beschäftigten im Bauhauptgewerbe birgt diesmal Sprengstoff: Am Montag hat die Gewerkschaft das Scheitern erklärt. Weil in drei Verhandlungsrunden keine Annäherung erzielt wurde, müssen die Tarifpartner in die Schlichtung, die am 7. Mai beginnen soll. „Ich habe nicht gedacht, dass wir das vor dem Hintergrund der außerordentlich guten Konjunktur am Bau nötig haben“, sagte IG-Bau-Verhandlungsführer Dietmar Schäfers unserer Zeitung. Aber die Arbeitgeber hätten sich „substanziell so gut wie nicht bewegt“, so dass ihn das Gefühl beschlich: „Wir führen Verhandlungen wie in den schlimmsten Zeiten der deutschen Bauwirtschaft.“

 

30 Prozent mehr? Ein „Ammenmärchen“

Sechs Prozent mehr Lohn fordert die Gewerkschaft. Dem Vernehmen nach will sie zumindest eine Vier vor dem Komma sehen. Genau daran sind die Gespräche gescheitert, denn der Hauptverband der Bauindustrie und der Zentralverband des Baugewerbes wollten nicht mehr als 1,65 Prozent geben. Zudem strebt die IG Bau weitere Schritte zum kompletten 13. Monatseinkommen an, das 55 Prozent beträgt. Das Weihnachtsgeld wurde in der Baukrise so sehr reduziert, dass die Arbeitnehmer den Trend umkehren wollen. Zudem wird über die Bezahlung der Wegezeiten zu den Baustellen verhandelt. Hochrechnungen der Verbände, dass sich die Gesamtforderung auf 30 Prozent summiere, nennt Schäfers „Ammenmärchen“.

„Kräftiger Schluck aus der Pulle“

„Die Kollegen haben erlebt, wie Verträge in schlechten Zeiten verschlechtert wurden“, argumentiert er. „Jetzt erleben sie, dass sie arbeiten wie verrückt – es sind so viele Aufträge da, dass die Betriebe teilweise keine neuen mehr annehmen können.“ Daher wollten die Beschäftigten „einen kräftigen Schluck aus der Pulle“.

Die Lage sei besser als in den kommunalen Einrichtungen und Metallbereichen – daher sind selbst die relativ hohen Abschlüsse der IG Metall und von Verdi im öffentlichen Dienst für Schäfers „keine Orientierung“. Viele Jahre hätten die Arbeitgeber gemahnt, dass man ausschließlich für das Not leidende Baugewerbe verhandele und nicht für andere Branchen, denen es besser gehe. Diesmal betonten sie, dass Forderungen wie die der IG Bau nicht mal in anderen Branchen bezahlt würden. Widersprüche wie diesen soll der frühere Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement als Schlichter auflösen. Der frühere Sozialdemokrat hat schon viermal vermittelt – dreimal erfolgreich.

„Clement kennt sich exzellent aus“

„Er ist ein wirklicher Experte, was die Bauwirtschaft angeht“, lobt Schäfers. Clement kenne sich aufgrund früherer Schlichtungen „exzellent aus“. Bei den Gewerkschaftsmitgliedern hingegen ist der Ex-Minister als hartnäckiger Verteidiger des Hartz-IV-Systems weniger beliebt. Speziell die IG Bau hat damals erbitterte Kämpfe gegen die Reformen von Altkanzler Gerhard Schröder geführt. Aus Sicht des Gewerkschaftsvizes „muss man die Dinge voneinander trennen“, denn „was er bisher geschlichtet hat, war am Ende immer vernünftig“.

Erster Arbeitskampf seit 16 Jahren denkbar

Da die Moderation dennoch fehlschlagen kann, droht der erste flächendeckende Arbeitskampf am Bau seit 2002 – erst der zweite in der Nachkriegszeit. „Wir sind auf jeden Fall arbeitskampffähig, das ist überhaupt nicht die Frage“, weist Schäfers Befürchtungen zurück, die lange Dürrezeit könnte der Mobilisierungsfähigkeit einen Abbruch getan haben.

Zudem wächst seit wenigen Monaten die Mitgliederzahl so deutlich, dass die IG Bau bis Ende des Jahres sogar erstmals seit mehreren Jahren wieder einen positiven Mitgliedertrend erwartet. Der Boom hilft auch, Druck auszuüben, wie man es sonst nur von IG Metall kennt. „Die Arbeitgeber können sich einen Arbeitskampf gar nicht leisten, weil sie heute schon kaum noch in der Lage sind, die Bautermine pünktlich abzuwickeln“, sagt Schäfers. Die Kapazitäten seien erschöpft. Nach der für Ende April geplanten Anrufung der Schlichtungsstelle muss binnen 14 Tagen ein Ergebnis vorliegen. So wird sich Mitte Mai zeigen, ob es am Bau mal wieder richtig Krach gibt.