Die große ungeklärte Frage der Fußball-Bundesliga lautet: warum kommen Spieler beim VfB Stuttgart nicht richtig zum Zug und schießen woanders durch die Decke? Unsere Bundesliga-Kolumne zum sechsten Spieltag.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Peter Stolterfoht (sto)

Stuttgart - An dieser Stelle wollen wir uns diesmal einem der letzten Mysterien des professionellen Fußballs in Deutschland widmen. Die große ungeklärte Frage lautet: warum kommen Spieler beim VfB nicht richtig zum Zug und schießen woanders durch die Decke?

 

Am Wochenende erhielt dieses Rätsel ganz neue Aktualität und einen Satz weiterer Fragezeichen gleich dazu. Man muss einfach nur die Erstliga-Partien des sechsten Spieltages abklappern – beginnend mit der Begegnung Hertha BSC gegen den Hamburger SV. Einem wie Vedad Ibisevic ist es ziemlich wurscht, ob der Gegner gerade Markus Gisdol als neuen Trainer installiert hat und deshalb eigentlich ein Ruck durch das HSV-Team gehen sollte. Ibisevic erzielte die Tore zum Berliner 2:0-Sieg und könnte sich sein Anti-Ruck-System jetzt sogar patentieren lassen. Dagegen geht jetzt wieder ein Ruck durch den VfB, allerdings ist das eine Art Schockschüttler.

Ist der Abgang aus Stuttgart eine Befreiung?

Denn zum x-ten Mal hat Vedad Ibisevic gezeigt, dass es nicht unbedingt die allerbeste Idee war, ihn wegzuschicken. Eine richtig schlechte Idee war es, ihm auch noch eine hohe Abfindung zu bewilligen, um seinen Vertrag vorzeitig aufzulösen. Für dieses Geschäft gratulieren sich Vedad Ibisevic und die Hertha-Verantwortlichen angeblich immer noch jeden Tag aufs Neue und per Handschlag.

Zur Minimal-Ehrenrettung des VfB sei aber darauf hingewiesen, dass sich Ibisevic in Berlin auch deutlich besser präsentiert als in seiner Stuttgarter Endphase.

Womit wir wieder am Ausgangspunkt sind. Warum zieht der VfB viele Spieler runter? Eine Frage, die wahrscheinlich erst abschließend beantwortet werden kann, wenn es wieder Gegenbeispiele gibt. Doch solche zeichnen sich aktuell nicht ab.

Im Moment scheint der Abgang aus Stuttgart für viele Profis eine Befreiung zu sein. Und das hat nicht allein mit dem Abstieg zu tun. Was geradewegs zum Spitzenspiel des sechsten Erstliga-Spieltags zwischen dem FC Bayern und dem 1. FC Köln führt. In München brachte Joshua Kimmich den Meister beim 1:1 per Flugkopfball in Führung. Der Nationalspieler sah einst als VfB-Junior keine Perspektive in Stuttgart und ist mit der entsprechenden Aussage zum Synonym für eine verfehlte Personalpolitik geworden.

Ein vereinsübergreifendes Stuttgarter Problem

Dass dem VfB im Gegenzug der eine oder andere talentierte Spieler aus der näheren Umgebung durch die Lappen gegangen ist – darauf weist dieser Spieltag auch noch hin: mit der Partie Freiburg gegen Frankfurt. Vincenzo Grifo erzielte den 1:0- Siegtreffer für den SC. Der 23-jährige Mittelfeldspieler stammt aus Pforzheim und gilt als Kandidat für eine große Karriere. So wie auch Serge Gnabry, der aus der Jugend des VfB kommt, zum FC Arsenal gewechselt war und jetzt in Bremen spielt. Für Werder traf er erneut beim 2:2 in Darmstadt. Dieses Spiel zeigt gleichzeitig aber auch, dass die schmerzhaften Abgänge nicht ein VfB-spezifisches, sondern ein vereinsübergreifendes Stuttgarter Problem zu sein scheint. Die beiden Darmstädter Tore erzielte nämlich Antonio Colak, der viele Jahre in der Jugend der Stuttgarter Kickers gespielt hatte und dann zunächst nach Freiberg (nicht Freiburg!) wechselte.

Ach ja, die Kickers. Die sind ja am selben Tag wie der VfB abgestiegen und mittlerweile in der vierten Liga aktiv. Was auch viel mit dem Verkauf von Elia Soriano zu tun hat, der ohne Not nach Würzburg abgeschoben wurde. Soriano trifft jetzt eben in der zweiten Liga, zuletzt am Wochenende gegen 1860 München. Auch wieder so ein Verein, der schon bessere Tage erlebt hat.