Elefanten haben mehr Nervenzellen im Gesicht als alle anderen landlebenden Säugetiere – und können viel damit anfangen.

Im Gehirn eines Afrikanischen Steppenelefanten versorgen rund 63 000 Nervenzellen die Muskulatur im Gesicht des Tieres, berichtet ein Team um Thomas Hildebrandt vom Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (IZW) in Berlin und Michael Brecht von der Berliner Humboldt-Universität (HU) in der Zeitschrift „Science Advances“. Das sind nicht nur deutlich mehr als die etwa 54 000 Nervenzellen, die beim Asiatischen Elefanten die gleichen Jobs übernehmen, es ist auch ein Rekord für Säugetiere an Land, die im Durchschnitt mit einem Fünftel dieser Zahl auskommen. Nur zwei Delfin-Arten haben mit mehr als 80 000 eine noch höhere Zahl von Gesichtsnerven.

 

Bewegung der Ohren koordinieren

Aufgefallen war dem Berliner Forschungsteam diese hohe Zahl, als es die Gehirne von vier Steppenelefanten und vier Asiatischen Elefanten untersuchte. Was aber fangen die Dickhäuter mit diesen vielen Gesichtsnerven an? Eine genaue Analyse liefert eine heiße Spur: Während fast 12 000 Nervenzellen die Bewegungen der sehr großen Ohren des Afrikanischen Elefanten koordinieren, begnügt sich sein Asiatischer Vetter mit etwa 7500 solcher Nerven. Auch scheinen die Steppenelefanten ihren Rüssel und vor allem dessen Spitze mit mehr Nerven zu versorgen.

Die Berliner Gruppe vermutet daher, dass Elefanten einen erheblichen Teil ihrer auffallend vielen Gesichtsnerven auf den Rüssel und die Ohren konzentrieren. Das ist ihrer Meinung nach auch durchaus sinnvoll. So hat der Rüssel eines Afrikanischen Elefanten zwei kräftige Ausstülpungen, die nicht nur zwei Fingern ähneln, sondern ähnlich wie die Finger einer menschlichen Hand zum Greifen auch zerbrechlicher Gegenstände genutzt werden. Ähnlich wie eine menschliche Hand, die mit vielen Nervenzellen ein Hühnerei „ertastet“ und es so zwischen den Fingern halten kann, ohne es zu zerdrücken, brauchen auch die Finger am Elefantenrüssel für das anspruchsvolle schonende Greifen viele Nerven. Und da Asiatische Elefanten nur einen solchen Finger haben, benötigen sie für seine Kontrolle erheblich weniger Nervenzellen.

Wichtiges Kommunikationsmittel

Die riesigen Ohren der Afrikanischen Elefanten sind wiederum nicht nur Kühlelemente, die überschüssige und potenziell gefährliche Körperwärme abführen und so ein Überhitzen vermeiden, sondern auch ein wichtiges Kommunikationsmittel der Dickhäuter. Deshalb können Elefanten ihre Ohren mit vielen Muskeln bewegen, um so Artgenossen oder anderen Arten eindeutige Nachrichten zukommen zu lassen. Erneut kommen dabei viele Nervenzellen zum Einsatz.

„Wenn dann ein Afrikanischer Elefant die Ohren abspreizt und mit ihnen zu wedeln beginnt, ist die Botschaft eindeutig“, erklärt der Geschäftsführer der Zoologischen Gesellschaft Frankfurt (ZGF) Christof Schenck. Der Zoologe konnte auf seinen Dienstreisen in Afrika sehr häufig Elefanten beobachten, war an der Studie des HU- und IZW-Teams aber nicht beteiligt. Mit den abgespreizten Ohren wirkt der ohnehin riesige Kopf des Dickhäuters noch viel größer, und die Bewegungen der Ohren machen einem Menschen rasch klar: Der Elefant ist gereizt, seine Stimmung kann leicht in Aggression umschlagen. „Seine Ohren senden also eine klare Aufforderung zum Rückzug“, übersetzt Christof Schenck diese Signale mit den Dickhäuter-Ohren. „Trompetet der Elefant dann auch noch, ist es höchste Zeit für einen deutlich größeren Abstand.“

Aufwand lohnt sich

Da eine solche Aufforderung auch die großen und kleinen Tiere Afrikas sofort verstehen und Elefanten auch untereinander diese Ohren-Sprache benutzen, lohnt sich der große Aufwand an Nervenzellen für diese Kommunikation sehr. Noch wichtiger als die Ohren aber scheint der Rüssel für die Dickhäuter zu sein, der weit mehr als nur eine fleischige Trompete mit kräftiger grauer Haut ist. „Der Rüssel ähnelt einer Kombination aus einer Baggerschaufel für grobe Arbeiten und einer Pinzette fürs Feine in einem einzigen Werkzeug“, staunt Christof Schenck.

Dieses Kombinationswerkzeug vereinigt also riesige Kraft mit feiner Arbeit. „Ich habe Elefanten schon beindicke Äste einer Schirmakazie mit dem Rüssel wegdrücken sehen“, erklärt Schenck. „Mit dem gleichen Werkzeug aber lesen die Dickhäuter auch ein einzelnes Blatt vorsichtig vom Boden auf.“ Obendrein kann diese Multifunktionswerkzeug auch große Mengen Wasser aufsaugen, um es sich anschließend entweder zum Trinken ins Maul oder zum Kühlen auf die Haut zu spritzen. Notfalls taugt der Rüssel auch als Schnorchel, durch den ein untergetauchter Elefant Luft holen kann. „Und er ist eine Art olfaktorisches Periskop“, sagt Schenck: „Elefanten halten ihren Rüssel oft hoch in die Luft, um so Gerüche aufzunehmen.“