Die Zahl der illegalen Einreisen in den Südwesten sind rückläufig. Trotzdem stellt ein Polizeigewerkschaftler neue Forderungen und propagiert eine Ausweitung der Schleierfahndung in Baden-Württemberg. Das Innenministerium in Stuttgart hält wenig von diesem Vorstoß.

Stuttgart - Die Forderung des Landeschefs der Deutschen Polizeigewerkschaft, Ralf Kusterer, nach einer Ausweitung der Schleierfahndung nach bayerischem Vorbild auch in Baden-Württemberg stößt auf Ablehnung im Stuttgarter Innenministerium. Kusterer hatte im Gespräch mit der dpa „die bayerische Lösung einer konzeptionellen und professionellen Schleierfahndung“ als Erfolgsmodell gelobt und für die Polizei im Südwesten etwas Ähnliches sowie „mehr Personal“ verlangt.

 

Bayern hat seit Anfang Juli eine eigene Grenzpolizei mit 500 Beamten, die sich intensiv der Schleierfahndung widmen soll und deren Zahl bis 2023 um jährlich 100 Beamte aufgestockt werden soll. Diese Grenzpolizei soll auch gegen illegale Einwanderung vorgehen, sie ist allerdings nur eine Art Hilfspolizei, da sie, sobald „aufenthaltsrechtliche Maßnahmen erforderlich sind“, die „weitere Sachbearbeitung“ an die Bundespolizei übergeben muss. Gewerkschaftsfunktionär Kusterer stellt sich vor, dass Baden-Württemberg das bayerische Vorbild nachahmen könnte: „Wer die Eingangstüre wie in Bayern zumacht, der darf nicht die Balkontüre – die Grenze zu Frankreich und zur Schweiz – geöffnet lassen.“

Im Jahr 2016 gab es 7136 illegale Grenzübertritte aus der Schweiz, 2017 noch 5127

Ein Sprecher von Innenminister Thomas Strobl (CDU) wies die Vorschläge zurück: „Grenzschutz ist in allererster Linie Sache der Bundespolizei – und die hat die Lage im Griff.“ Anders als in Bayern sei eine Unterstützung der Bundespolizei bei Grenzkontrollen durch die Landespolizei mangels einer Ermächtigung im Polizeigesetz „rechtlich nicht möglich“ und derzeit nicht beabsichtigt. Aber das Land habe die Grenzen zu Frankreich und Schweiz „sehr genau im Blick“ und werde im Fall eines deutlichen Anstiegs der Flüchtlingszahlen weitere Maßnahmen prüfen – „darunter die Anregung der Wiedereinführung der Grenzkontrollen bei der Bundesregierung.“ Aber davon sei man weit entfernt.

Laut Zahlen der Bundespolizeidirektion Stuttgart sind die illegalen Einreisen ins Land insgesamt rückläufig: Waren es über die schweizerische Grenze 2016 noch 7136, so sank die Zahl ein Jahr später auf 5127, in den ersten fünf Monaten diesen Jahres waren es 1882. Von Frankreich kommend waren 2016 noch 1732 illegale Einreisen gezählt worden, 2017 waren es 2145 und in den ersten fünf Monaten 2018 waren es 922. Was die Schleierfahndung anbelangt, passe das Land die Kontrollintensität ständig der aktuellen Lage an, sagte der Ministeriumssprecher. Diese Art der Fahndung sei nicht nur in Grenznähe, sondern an Durchgangsstraßen in ganz Baden-Württemberg von jeder Polizeidienststelle aus möglich. Die Kontrollanlässe seien so „im Alltagsgeschehen“, dass ihre Dokumentation sehr aufwendig sei, weshalb man eine statistische Erfassung eingestellt habe.

Minister bekommt Rückendeckung aus Teilen der Opposition

Aber allein 2017 seien bei einer Schwerpunktaktion gegen illegale Einreisen 100 Einsätze erfolgt mit insgesamt 563 Festnahmen, Strafanzeigen, Beschlagnahmungen oder Platzverweisen.

In Teilen der Opposition erhält das Ministerium Rückendeckung für seine Position: „Wir sehen die bestehende Rechtslage für eine verhältnismäßige Schleierfahndung als ausreichend an“, sagt der SPD-Innenexperte Sascha Binder. Der FDP-Abgeordnete Ulrich Goll bewertet die Schleierfahndung wegen der verdachtsunabhängigen Kontrollen als „kritisch“. Auch binde sie viele Beamte, sie belaste mehr als sie nütze. Goll: „Wir brauchen für den Kampf gegen Schleuser und illegale Migration eine zwischen Bund und Ländern abgestimmte Lösung, die praktisch umsetzbar ist und unbescholtene Bürger wenig belastet.“ Die AfD hingegen lobt eine Ausweitung der Schleierfahndung als „guter Schritt in die richtige Richtung“. Aber nur „weitreichende Grenzkontrollen“ versetzten die innere Sicherheit wieder in eine akzeptable Lage.