75 Jahre nach dem Absturz des Zeppelins Hindenburg sind seine Nachfolger wieder im Einsatz. Heute fahren sie im Auftrag der Klimaforschung.

Stuttgart - Es ist schon ein besonderes Gefühl, mit einem Zeppelin über die Landschaft zu schweben – und plötzlich in der Luft stehen zu bleiben, um dann an Ort und Stelle nach oben oder unten zu steigen. Ganz ohne Motorenlärm geht das zwar nicht, aber es ist viel leiser als in einem Hubschrauber, und es gibt weit weniger Vibrationen. Zudem kann man bis zu 24 Stunden in der Luft bleiben und dabei noch rund eine Tonne an Ausrüstung befördern. All diese Vorzüge haben dazu geführt, dass Atmosphärenforscher den Zeppelin NT für ihre Zwecke entdeckt haben.

 

Im Juli 2007 nutzten Wissenschaftler des Forschungszentrums Jülich das moderne Luftschiff zum ersten Mal als Plattform für ihre Messgeräte. Sie untersuchten damals die Verteilung von Spurengasen und Radikalen in der Luftschicht direkt über der Erdoberfläche. Dieser von den Wissenschaftlern als „planetarische Grenzschicht“ bezeichnete Teil der Atmosphäre reicht bis zu einer Höhe von etwa tausend Metern. Dort finden sich besonders viele Schmutzpartikel, Gase und Spurenstoffe, die von menschlichen Aktivitäten zeugen, aber auch auf natürliche Emissionen aus Sümpfen und Wäldern zurückgehen können. Besonders wichtig sind dabei die sogenannten Hydroxylradikale: Sie gelten als „Waschmittel der Atmosphäre“, weil sie eine Vielzahl von schädlichen Verbindungen in der unteren Luftschicht abbauen.

Es geht um das Klima der kommenden Jahrzehnte

Im Oktober 2008 folgte eine zweite Messkampagne, und nach diesen Erfahrungen ist nun die Zeit reif, den Zeppelin NT in einem großen, europaweiten Forschungsprojekt einzusetzen. Es heißt Pegasos, wobei die englische Abkürzung für Paneuropäische Studie zu Wechselwirkungen von Gasen, Aerosolen und Klima steht. Es geht also um den Einfluss der Atmosphärenchemie auf den Klimawandel. Am Projekt beteiligt sind 26 Partner aus 15 europäischen Ländern, die Koordination liegt beim Forschungszentrum Jülich. Das Ziel ist, „Grundlagen für Gesetze und Maßnahmen zu schaffen für das Klima und die Luftqualität der kommenden 50 Jahre“.

Vorgesehen sind drei mehrwöchige Messkampagnen. Dazu wurde ein Zeppelin, der von 2004 bis 2010 in Japan im Einsatz war, grundlegend saniert und für den wissenschaftlichen Einsatz umgerüstet. Dabei wurde oben auf der Hülle eine Art Dachständer angebracht, der mit Messgeräten bestückt wird. Weitere Geräte befinden sich in der Gondel, wobei die Ausrüstung auf die jeweiligen Messziele abgestimmt wird. Bereits von 2006 bis 2009 hat das Bundesforschungsministerium den Einbau dieser Geräte mit rund 2,4 Millionen Euro gefördert.

Gefahndet wird nach Rußteilchen und Schmutzpartikeln

Im Zentrum des Interesses stehen die Hydroxylradikale, die mit Hilfe von Laserlicht gemessen werden. Darüber hinaus werden weitere fotochemisch aktive Spurenstoffe – also Verbindungen, die sich unter Einfluss des Sonnenlichts bilden und verändern – erfasst, weil sie bei der Bildung und beim Abbau dieses „Atmosphären-Waschmittels“ eine Rolle spielen. Dazu zählen Ozon, Stickoxide, Kohlenmonoxid und die sogenannten flüchtigen organischen Substanzen, zu denen beispielsweise Benzindämpfe gehören. Und natürlich werden auch Rußpartikel und andere Schwebeteilchen gemessen. Dabei fahnden die Forscher nach den Quellen dieser sogenannten Aerosole und gehen außerdem der Frage nach, wie sie sich verändern und welche Auswirkungen sie auf die Luftqualität, das Klima und das Recycling der Hydroxylradikale haben. Dazu wird direkt in der Abluftfahne – samt den dort herrschenden Aufwinden – von großen Ballungsräumen gemessen, aber auch in Reinluftgebieten.

Nach den Testflügen im vergangenen Herbst ist nun heute in Friedrichshafen der offizielle Beginn der europaweiten Messkampagne. Diese führt den Zeppelin und seine Mannschaft in den kommenden Tagen in die Niederlande, also in den Westen. Die Südroute steht voraussichtlich im Juni auf dem Programm: von Bologna aus fliegt der Zeppelin fünf Wochen lang in der Poebene. Im April 2013 soll es dann für rund zwei Monate nach Finnland gehen.

Die neue Generation: der Zeppelin NT

Technik:
Nach dem Absturz des Luftschiffs Hindenburg am 6. Mai 1937 im amerikanischen Lakehurst ging die Ära der großen Luftschiffe schlagartig zu Ende, noch bevor sie richtig begonnen hatte. In den 90er Jahren wurde am Traditionsstandort Bodensee die Idee des Zeppelin neu aufgegriffen und ein völlig neues halbstarres Luftschiff entwickelt, der Zeppelin NT (was für Neue Technologie steht). Über seine starre Konstruktion aus Aluminium und Kohlefasern wird eine reißfeste Außenhülle gestülpt. Damit unterscheidet er sich grundlegend von den Prallluftschiffen, den sogenannten Blimps, die kein Innengerüst haben. Der Hohlkörper wird nicht mehr wie früher mit hochgefährlichem Wasserstoff, sondern mit unbrennbarem, aber auch viel teurerem Helium gefüllt.

Antrieb:
Schwenkbare Propeller erlauben Flugmanöver, wie sie sonst nur mit einem Hubschrauber möglich sind: So kann der Zeppelin NT in der Luft „stehen bleiben“.

Vermarktung
: Der Jungfernflug des Zeppelin NT fand 1997 statt. Heute absolviert ein Zeppelin Passagierrundflüge am Bodensee. Ein weiterer wurde in Afrika zur kommerziellen Erkundung von Bodenschätzen eingesetzt, bevor er bei einem Unwetter zerstört wurde. Ein dritter fliegt in Kalifornien, und der jetzt für wissenschaftliche Messflüge eingesetzte Zeppelin war zuvor sechs Jahre als Werbeträger und für Passagierflüge in Japan. Drei weitere Luftschiffe sind bestellt.