Dundu, Babba und überfüllte Toiletten: 13.500 Menschen haben am Samstag beim SEMF in Stuttgart gefeiert. Was nach der Veranstaltung bleibt, steht hier.

Stuttgart- Es ist gegen 22:00 Uhr, das SEMF 2012 gerade mal zwei Stunden alt und die Floors sind schon gut gefüllt und die Arme oben. Mitveranstalter Tome Aulicky steht auf Bühne drei, voll bewaffnet mit allen möglichen Pässen, einer Gürteltasche und einem Geheimagenten-Funkknopf im Ohr. Bei dem Anblick der feiernden Leute scheint die erste Anspannung von ihm abzufallen. Es läuft alles. Aller Voraussicht nach erreicht man die Kapazitätsgrenze, meint er zu diesem Zeitpunkt und bestätigt dies am gestrigen Sonntag: „SEMF 2012 meldet ausverkauft, und somit waren 13.500 elektronische Musiclovers in den Messehallen.“ Und weiter: „Wir sind geschafft aber sehr happy, das grösste elektronische Festival in Stuttgart gut über die Bühne gebracht zu haben.“

 

Vorneweg: In Punkto Organisation stellte diese Ausgabe definitiv nochmals eine Steigerung zum letzten Jahr dar und schon jenes war, gerade für´s erste Mal auf der Messe, eine amtliche Leistung. Der Einstieg von Cosmopop und deren jahrelang Erfahrung von der Time Warp in der Mannheimer Maimarkthalle und auch in anderen Ländern war dieses Jahr spürbar und legte die Messlatte höher. Aber spätestens als  die über vier Meter große Riesenpuppe Dundu um die Ecke bog oder eine Gypsy Jazz Band mit ihren Akustik-Instrumenten durch die Hallen wanderten, merkte man wieder: Das ist der echte SEMF-Spirit.

Auch wenn das positive Feedback und die Begeisterung heute eindeutig überwiegt, kann man es bei 13.500 Leuten natürlich nicht allen Recht machen. Manche Kritik ist berechtigt und einiges ist wie so oft schlicht und einfach Geschmacksache. Da wird z.B. die neue Raumaufteilung und die Akustik („zu viel Bass“) in Frage gestellt, wie auch das Getränkebon-System („Tokens“), die anfangs lange Warteschlangen vor eben jenen Token-Ständen, die hohen Getränkepreise an sich, das überteuerte Schließfachsystem (6 Euro) oder die überfüllten Toiletten, wirklich eine ekelhafte Angelegenheit, zumindest im unteren Bereich. Hat man allerdings die paar Stufen zur Empore hoch erklommen, auf der Floor 4 untergebracht war, konnte man dort entspannt und ohne zerdrückt zu werden seinen menschlichen Bedürfnis, ähm, freien Lauf lassen.

Nicht alle mögen Moonbootica

Und zu guter Letzt stehen natürlich die einzelnen DJ-Sets in der Diskussion. Die einen fanden Sven Väth Weltklasse, was andere wiederum nicht verstehen können. Moonbootica werden von den einen als genial gefeiert, die anderen stecken sich den Finger in den Hals, weil das Hamburger Duo die abgenudelte Kommerznummer „Nein Mann“ von Laserkraft rausgehauen haben. Aber das gehört einfach dazu. Da hat jeder seine Favoriten, neue dazu gewonnen oder vielleicht eine Fanschaft sogar aufgelöst.

Die Konzentration auf die Halle eins war definitiv eine schlaue Idee und sollte so beibehalten werden, auch wenn es wie schon gesagt bei der Akustik wirklich Optimierungsbedarf gibt. Trotz entgegen ausgerichteter Boxen, vielen Metern Abstand und jeweils zwei hallenhohen Wänden aus Moltondecken zwischen den Floors, haben sich die Bässe der drei Bühnen mitunter einen guten Dreikampf geliefert, besonders am frühen Abend, als noch nicht genügend Gäste in den Hallen waren.

Aber die „Jünger“, ein bunter Haufen angereist aus allen Himmelsrichtungen, gerne bewaffnet mit Sonnenbrillen und Knicklichtern, kamen flott auf die Floors – was wiederum für eine gute Einlassorganisation sprach. Um halb elf drängten sich vor Felix Kröcher schon mehrere Tausend Gäste und parallel auf Floor zwei und drei konnten sich David Mayer von Keinemusik und Gregor Tresher, der mit dem Tune „A Thousand Nights“ vor Jahren bekannt wurde, ebenfalls nicht über mangelnde Aufmerksamkeit beklagen.

Babba auf der Bühne

Als um Mitternacht der Babba die Mainstage betrat, fühlte sich die Nacht schon so intensiv an, als wäre es drei Uhr morgens. Hinter dem „Meister“ drängelten sich im Backstage-Bereich nicht nur die namhaften DJ-Kollegen der anderen Floors, sondern auch Lokalprominenz wie Johannes Strachwitz von 0711, der als Veranstalter vom HipHop Open sehr genau den Organisationsaufwand eines solchen Festivals kennt und ebenfalls beeindruckt seinen Respekt für die Techno-Kollegen aussprach.

Und was ziehen die selbst weiterhin als Fazit am Tag eins nach dem Inferno? „Uns freut auch vor allen das steigende überregionale Interesse an diesem Event und zudem hatten wir auch einen verstärkten internationalen Zuspruch dieses Jahr. So kann es weitergehen“, sagt Tome. Das lag sicherlich auch an dem Booking von Jamie Jones, der so gut wie nie auf deutschem Boden zu hören ist und den der hiesige Urlaubsraver von seinen Gigs auf Ibiza kennt. Jones enttäuschte nicht und lieferte nach einem sehr strammen Matthias Kaden ein knackig-grooviges, mitreißendes Deep-House-Set ab.

Was bleibt nach dieser Nacht? Mit einem HipHop Open im Sommer und einem SEMF im Winter hat Stuttgart endlich zwei fixe Festivals, die sich diese Stadt verdient hat. Bis 2013.