Betrügerbanden geben sich am Telefon als Enkel oder falsche Polizisten aus. Und finden immer neue Opfer. Welche Ideen gibt es noch zur Vorbeugung gegen die perfide Masche?

Lokales: Wolf-Dieter Obst (wdo)

Die Enkelin ruft die Oma an und berichtet, die Mama habe einen schweren Unfall verursacht und müsse ins Gefängnis, wenn nicht schnell eine Kaution gezahlt werde. Diese perfide Geschichte hat unbekannten Telefonbetrügern 20 000 Euro eingebracht. Am Mittwoch war die kombinierte Betrugsmasche aus Enkeltrick, Schockanruf und falschen Polizisten im Stuttgarter Osten für die Täter erfolgreich.

 

Betroffen war diesmal eine 88-jährige Frau aus dem Bereich Ostheim. Sie erhielt gegen 12 Uhr den Anruf einer jungen Frau, die sie nach einem kurzen Gespräch für ihre Enkeltochter hielt. Die vermeintliche Enkelin berichtete dramatisch, dass die Tochter der Seniorin einen schweren Verkehrsunfall mit Todesopfer verursacht habe und ihr deshalb nun eine Haftstrafe drohe.

Die Betrügerin am Telefon lässt nicht locker

Danach übernahm eine angebliche Polizeibeamtin das Gespräch und erklärte, dass die Haft mit einer Kaution abzuwenden sei. Geschickt fragte die Anruferin die überrumpelte 88-Jährige, welches Vermögen sie in ihrem Haushalt aufbewahrt. Sie solle alles verfügbare Bargeld und Goldschmuck zusammensuchen. Die 88-Jährige ging darauf ein und übergab ihre Ersparnisse einem Kurier. „Das dürfte so zwischen 14.45 und 15 Uhr gewesen sein“, sagt Polizeisprecher Allen Bühler.

Während des gesamten Vorgangs blieb die falsche Polizistin durchgehend am Telefon – um dem Opfer jede Chance zu nehmen, sich zwischendurch anderswo zu erkundigen. Eine Personenbeschreibung des Kuriers liegt der Polizei vor, allerdings ist diese für eine Öffentlichkeitsfahndung offenbar wenig geeignet. Damit ist vorerst unklar, ob ein solcher Kurier auch an anderer Stelle aufgefallen sein könnte.

Erst nach Stunden fliegt der Schwindel auf

Der Unbekannte war jedenfalls über alle Berge, als die Polizei von dem Vorgang erfuhr. Die 88-Jährige erreichte später ihre vermeintlich verunglückte Tochter – und der ganze Schwindel flog auf. „Die Tochter verständigte die Polizei gegen 16.50 Uhr“, so Polizeisprecher Bühler.

Am Donnerstag setzten die Täter offensichtlich andere örtliche Schwerpunkte: „Seit etwa 8 Uhr gaben sich im Bereich insbesondere im Kreis Göppingen schon etwa zehn Anrufer als Polizeibeamte aus und versuchten, die Angerufenen um ihr Erspartes zu bringen“, so der Ulmer Polizeisprecher Wolfgang Jürgens. Dies könnte aber auch nur die Spitze des Eisbergs sein. Wie sollten Betroffene reagieren? Der Polizeisprecher rät kurzerhand: „Die Angerufenen sollen das Telefonat umgehend beenden und anschließend selbst die 110 wählen.“

Prävention per Geldbriefumschlag

Die Welle rollt weiter. Auch wenn es im vergangenen Jahr in Stuttgart einen positiven Trend gegeben hat: Die Schadenssummen sind deutlich rückläufig. Die Kriminalstatistik 2021 weist als Beute für falsche Polizisten 285 000 Euro aus – nach 1,8 Millionen zwei Jahre davor. Beim Enkeltrick kamen 47 000 Euro zusammen, dreimal weniger als noch 2019. Landesweit sieht es anders aus: Der Schaden stieg auf 15,2 Millionen.

Aus dem Stadtseniorenrat kommt nun die Idee, dass die Opfer beim Geldabheben auf der Bank zusätzlich gewarnt werden könnten. Stadtseniorenrätin Marita Gröger verweist auf ein Beispiel in Oberfranken, wo Bankmitarbeiter das abgehobene Bargeld in einen speziellen Briefumschlag stecken, der auf sechs wichtige Fragen hinweist. Und wer dann zwei oder mehr Fragen mit Ja beantworten muss, sollte sich umgehend an die Notrufnummer 110 wenden. Diese Umschläge, so Marita Gröger, hätten tatsächlich manche Betrugsfälle verhindert.

Was die Stuttgarter Polizei unternimmt

„Das ist auf jeden Fall eine nützliche Nachdenkhilfe an den oder die Betroffene, ob sie denn wirklich auf dem richtigen Weg ist“, sagt Hermann Volkert, Leiter der Prävention bei der Stuttgarter Polizei. Solche Umschläge gebe es aber auch hierzulande, sie seien über das Landeskriminalamt auf höherer Ebene an die Banken verteilt worden. „Wir müssen überall da ansetzen, wo die Opfer in Kontakt mit anderen Menschen kommen“, sagt Volkert, „in der Familie, bei Bankmitarbeitern, auf Displays von Geldautomaten, selbst bei Taxifahrern.“

Die Stuttgarter Polizei habe außerdem kleine rote Karten an die Banken verteilt, die jenen älteren Kunden mitgegeben werden sollen, die sich am Schalter partout nicht überzeugen lassen wollen, dass sie womöglich das Opfer von Betrügern geworden sind. „Leider verfängt da oft die Taktik der Betrüger, die Verschwörungstheorien verbreiten, dass auch die Banken unter einer Decke mit Betrügern stecken“, so Volkert. Er hofft jedenfalls, dass auch schwerfällige oder sture Opfer rechtzeitig ins Grübeln kommen.