Der Interimspräsident und Wirtschaftsfreund Temer stellt nur weiße, männliche und ältere Minister ein. Mit seiner Auswahl bestätigt der neue Präsident die Befürchtungen, dass die alte brasilianische Elite an die Macht zurückkehrt

Korrespondenten: Klaus Ehringfeld (ehr)

Brasilia - Der brasilianische Übergangspräsident Michel Temer hat die Bevölkerung zur Einheit aufgerufen und versichert, dass die schwere Situation des Landes überwunden werden könne. „Sprechen wir nicht mehr über Krise, lasst uns lieber arbeiten“, sagte Temer bei der Vorstellung von Regierungsprogramm und Kabinett in der Hauptstadt Brasilia.

 

Der konservative Präsident, der nach der Suspendierung von Dilma Rousseff die Geschicke Brasiliens für zunächst 180 Tage lenkt, will eine wirtschaftsfreundliche Politik machen, ohne die soziale Sicherung zu vernachlässigen: „Wir schaffen eine Regierung der nationalen Rettung.“ Im Gegensatz zu den linken Vorgängerregierungen ist das Motto Temers: weniger Staat, mehr Markt, Privatisierungen und Liberalsierungen. Während der Fokus auf die Reaktivierung der Wirtschaft erwartet wurde, löste Temer mit seinem Kabinett Überraschung und zum Teil Bestürzung aus: Die 21 Ressortchefs sind ausschließlich männlich, weiß, konservativ, eher älter als jünger. Gegen drei von ihnen wird wegen Korruption ermittelt, übrigens auch gegen Temer.

Mit seiner Auswahl bestätigt der neue Präsident die Befürchtungen, dass nach 13 Jahren Linksregierungen die alte brasilianische Elite an die Macht zurückkehrt. „Das Kabinett ist ein großer Rückschritt“, urteilt der Politologe Mauricio Santoro. In den letzten Jahren hätten Frauen und Afro-Brasilianer mühsam Plätze in den Regierungen gewonnen. Das werde zurückgedreht, dem Kabinett fehle die Verbindung zu den sozialen Bewegungen.