Ohne die Tennis-Stars Roger Federer und Rafael Nadal ist der Serbe Novak Djokovic bei den US Open in New York der Favorit.

Sport: Dominik Ignée (doi)

Stuttgart - Was sind die Hauptpreise des Weltsports in diesem unwirklichen Pandemie-Jahr eigentlich wert? Das ist eine Frage, mit der sich der FC Bayern München nicht beschäftigen wird, sollte er am Sonntag die Champions League gewinnen – denn Sieg ist Sieg. Auch der Mercedes-Pilot Lewis Hamilton wird seinen siebten WM-Titel feiern wie jeden anderen auch, sofern er die der abgespeckte Formel-1-Saison 2020 auch erfolgreich abschließt. Und niemand wird sich daran erinnern, dass der Tennisspieler Novak Djokovic die am 31. August beginnenden US Open nur mit Leichtigkeit gewonnen hat, weil erstmals bei einem Grand Slam die Rivalen Rafael Nadal und Roger Federer beide nicht am Start waren. Es würde dann, so Djokovic tatsächlich gewinnt, der 18. Grand-Slam-Sieg seiner Karriere sein.

 

Die Corona-Krise, die hat Djokovic einen Vorteil verschafft – so wie anderen Aktiven in anderen Sportarten auch. Ohne Federer und Nadal stehen die Chancen des immerhin auch schon 33 Jahre alten Profis sehr gut, sein großes Ziel etwas früher zu erreichen. Er will unbedingt Federers Grand-Slam-Rekord von 20 Siegen knacken und ganz nebenbei auch noch der Spieler werden, der am längsten auf Platz eins der Weltrangliste stand. Wenn der „Joker“ noch 29 Wochen auf dem Tennis-Thron ausharrt, dann ist er seit 370 Wochen auf Platz eins gewesen – und hätte damit auch diesen Rekord von Federer eingestellt.

Nicht beste Freunde

Vater Srdjan Djokovic findet ohnehin, dass Federer im fortgeschrittenen Alter nur noch mitmacht, um seine Rekorde zu retten. „Warum spielt er immer noch mit 40? Stellen Sie sich vor, ein 40-jähriger Mann spielt immer noch Tennis, wo er doch zu Hause so viele andere interessante Dinge tun könnte. Aber er spürt in seinem Nacken den Atem von Nadal und Novak, kann es einfach nicht akzeptieren, dass sie ihn überholen werden“, sagte Djokovic senior jüngst, der ohnehin glaubt, Federer habe etwas gegen seinen Sohn. Eine gewisse Feindseligkeit sei nicht von der Hand zu weisen.

Was sind die US Open ohne die großen Frontfiguren wert? Novak Djokovic wird es egal sein. Zahlreiche Topstars bei den Männern und Frauen fehlen in der US-Metropole. Neben Federer und Nadal reiste auch die Titelverteidigerin Bianca Andreescu nicht nach New York, wo in diesen Tagen ein Vorbereitungsturnier auf die US Open stattfindet. Auch die Weltranglistenerste Ashleigh Barty sowie die zweitplatzierte Simona Halep sind in New York nicht am Start. „Ich habe immer gesagt, dass bei dieser Entscheidung meine Gesundheit die größte Rolle spielt. Daher ziehe ich es vor, in Europa zu bleiben und zu trainieren“, schrieb Halep bei Twitter. Die Deutsche Angelique Kerber lässt sich indes bis zum Schluss offen, ob sie an den US Open teilnimmt. Ihre deutsche Kollegin Julia Görges hat die Reise dagegen wegen Sicherheitsbedenken abgesagt.

Spezielle Umstände

Es fehlen zwar starke Konkurrenten, doch an Wertigkeit verlieren die US Open nicht. „Natürlich wird es ein Turnier unter speziellen Umständen sein mit vielen wichtigen Spielern, die fehlen werden. Aber es ist noch immer ein Grand Slam und der Sieger wird sich wie ein Grand-Slam-Sieger fühlen“, sagt Nadal, der das Turnier absagte, weil es seiner Ansicht nach weltweit noch keine Kontrolle über das Coronavirus gebe. Nun aber haben mal die Hinterbänkler die Chance, ein Grand-Slam-Viertelfinale oder mehr zu erreichen. Zuschauer sind ohnehin nicht auf den Rängen. Leiden werden womöglich nur die Einschaltquoten. Spiele mit Beteiligungen aus der No-name-Fraktion sind eben nicht so attraktiv wie Matches mit Simona Halep oder Rafael Nadal.

Die Organisatoren der US Open zeigen sich von den Absagen der Stars erstaunlich unbeeindruckt. „Was unser Feld angeht, könnte ich im Kontext der aktuellen Zeit nicht glücklicher sein. Es hat unsere Erwartungen übertroffen“, sagte Michael Dowse, Vorstandsvorsitzender des US-Tennis-Verbands. Die Fans würden unglaubliches Weltklasse-Tennis sehen“, versprach er.

Der Deutsche Alexander Zverev befindet sich inzwischen auch schon in New York. Vielleicht hat jetzt auch er die Chance, weiter zu kommen als bisher. Im vergangenen Jahr war für ihn bei den US Open bereits im Achtelfinale Schluss. Doch vermutlich fehlt ihm der Glaube daran, auch ohne Federer und Nadal weit zu kommen. Denn für den Fall eines frühen Ausscheidens in New York hat der Hamburger schon vorgesorgt: Seine Name steht auf der Meldeliste des Turniers in Kitzbühel.