Die Tennisspielerin Andrea Petkovic hat in dieser Saison eine ziemliche Achterbahnfahrt hinter sich. Jetzt scheint sie sich gefangen zu haben – und startet mit neuem Selbstvertrauen ins Fedcupfinale am Wochenende in Tschechien.

Sport: Heiko Hinrichsen (hh)

Prag - Ein bisschen ist es mit dem Tennisjahr der Andrea Petkovic ja gewesen wie mit dem Wetterfrosch auf der Leiter. Häufig war alles heiter – und die „Petko“ kletterte die Sprossen nach oben. So stand die 27-Jährige etwa im Halbfinale des Grand Slams von Paris und holte 2014 auch drei Turniersiege – den letzten davon erst vor ein paar Tagen in Sofia.

 

Doch bisweilen rutschte die extrem emotionale Einser-Abiturientin, die 2010 den Aufschwung des deutschen Frauentennis erst eingeleitet hatte, mit ihren Gefühlen auch ganz tief in den Keller. Da waren diverse kleine Verletzungen und eine Serie von frühen Niederlagen, die der Darmstädterin zu schaffen machten; und Mitte Oktober, da kullerten gar in Luxemburg nach „privaten und gesundheitlichen Problemen“ ein paar Tränen über das Gesicht der Andrea Petkovic, die völlig aufgelöst sagte: „Ich fühle mich absolut nicht in der Lage, Tennis zu spielen.“

Gut also auch für Sigmar Gabriel, den SPD-Chef, Wirtschaftsminister und Barbara-Rittner-Bekannten, der privat zum Finale nach Prag reist, dass Petkovic wieder prima drauf ist. Als die Erfinderin des „Petko-Dance“, einem Siegestanz in Michael-Jackson-Manier, mit ihrer Teamchefin Rittner am Donnerstag in der 10 850 Fans fassenden Prager Arena trainierte, grinste „unsere neugierige Stimmungskanone“ (Rittner) zwischen den Ballwechseln.

Das Ziel: der WM-Pokal für die Tennisfrauen

„Ich fühle mich bei den Mädels immer wohl. Außerdem hat mich der Sieg von Sofia sehr selbstbewusst gemacht. Es war die Kehrtwende zur rechten Zeit“, sagt Petkovic, die am Samstag und Sonntag (jeweils 12.45 Uhr live auf Sat 1) vor einer großen Aufgabe steht. Dann wird an der Moldau das Fedcupfinale gegen Tschechien ausgespielt – und als zweite Einzelspielerin neben der deutschen Nummer eins, Angelique Kerber, wird Petkovic alles dran setzen, um 22 Jahre nach dem Frankfurter Sieg von Steffi Graf, Anke Huber und Barbara Rittner den silbernen Fedcup, quasi den WM-Pokal für weibliche Tennisteams, wieder nach Deutschland zu holen.

Ihre Gegnerin wird dann am Eröffnungssamstag die Wimbledonsiegerin Petra Kvitova sein, während Kerber auf deren Landsfrau Lucie Safarova trifft. Offen ist bis zur Auslosung an diesem Freitag nur noch die Reihenfolge der Partien. „Wenn ihr erster Aufschlag kommt, wird es gegen Petra sehr schwer“, sagt Petkovic: „Sie ist auf schnelle Punkte aus.“ Doch die Deutsche, die im direkten Vergleich mit Kvitova sogar 4:3 führt, hat zuletzt selbst mutiger agiert: In Sofia variierte sie geschickt zwischen langen Grundlinienduellen und plötzlichen Netzattacken.

„Die Petko und die Angie sind in dieser Fedcupsaison ungeschlagen. Sie wissen, was für ein Hexenkessel auf sie zukommt – und können damit umgehen“, sagt Barbara Rittner vor dem Heimspiel der favorisierten Tschechinnen, die 2012, ebenfalls in Prag, gegen Serbien den Fedcup gewannen. Im Gegensatz zu den Spielen in der Slowakei und in Australien hätte die Bundestrainerin Rittner diesmal auch auf die längst wieder fitte Sabine Lisicki setzen können.

Lisicki soll nur im Doppel spielen

Doch das kam für Rittner nicht in Frage – und so bleibt für die Wimbledonfinalistin des Vorjahres nur der Platz als moralische Stütze in der Spielerloge und, wie es Rittner bereits anklingen ließ, der Einsatz im Doppel am Sonntag an der Seite von Julia Görges. Wie undankbar diese Aufgabe für Lisicki ist, zeigt die Tatsache, dass das Doppel im Fedcup anders als im Daviscup als Letztes gespielt wird, die Entscheidung bis dahin also schon gefallen sein kann.

Doch die aufgeweckte Andrea Petkovic, eine ehemalige Studentin für Politik und Literatur, ist eben nicht nur als 14. der Weltrangliste die formal zweitbeste deutsche Tennisspielerin; sie ist dazu auch die Wortführerin und heimliche Leaderin der deutschen Fedcup-Equipe. „Andreas Sieg von Sofia gibt uns mächtig Rückenwind“, sagt Rittner, die bereits seit 2005 als Bundestrainerin tätig ist und ihr Frauenteam nur langsam in die Erfolgsspur setzen konnte. Jetzt will Rittner als weltweit Erste den Fedcup als Spielerin und Trainerin gewinnen. Dazu wäre es hilfreich, wenn die wankelmütige Andrea Petkovic auf der Erfolgsleiter einfach nach oben klettert – so wie der Frosch bei schönem Wetter.