Der Terror-Tourismus blüht. Darauf lässt der Umstand schließen, dass ein Großteil der IS-Kämpfer aus fernen Ländern stammen. Die deutschen Innenminister prüfen, wie Anhänger der Terrororganisation an der Ausreise nach Nahost gehindert werden können.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Armin Käfer (kä)

Berlin - Der Terror-Tourismus blüht. Darauf lässt der Umstand schließen, dass ein Großteil der Truppen, die im Nordirak und Syrien für die Ziele des „Islamischen Staats“ (IS) kämpfen, aus fernen Ländern stammen. 450 kommen auch aus Deutschland. Diese Zahl nannte am Freitag das Bundesinnenministerium.

 

Die Innenminister von Bund und Ländern prüfen zurzeit, wie Islamisten daran gehindert werden können, aus Deutschland in den Nahen Osten zu reisen. Das Passgesetz, das Staatsbürgerschaftsrecht und das Personalausweisgesetz bieten dazu eine Reihe von Möglichkeiten. Konkrete Beschlüsse gibt es dazu aber noch nicht. Die Union drückt aufs Tempo. „Hier ist wirklich Eile geboten“, sagte der CSU-Abgeordnete Stephan Mayer, innenpolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion.

Angesichts der wachsenden Zahl von Sympathisanten der islamistischen Miliz IS, die sich auf den Weg ins Kampfgeschehen machen, müssten ohne Verzögerungen neue Maßnahmen umgesetzt werden. Das unterstützt auch Volker Beck, Sicherheitsexperte der Grünen-Fraktion. Er forderte die Regierung auf, möglichst rasch eine Kennzeichnung von Personalausweisen mutmaßlicher Terrorkämpfer zu beschließen. Somit soll die Ausreise von IS-Sympathisanten verhindert werden. „Das hätte schon längst passieren sollen“, rügte Beck.

Sperrvermerk im Personalausweis?

Wer „die innere oder äußere Sicherheit der Bundesrepublik gefährdet“, dem kann nach geltendem Recht ein Reisepass verweigert oder entzogen werden. Bei Personalausweisen geht das nicht. Doch könnten die Behörden aus dem gleichen Grund per Sperrvermerk veranlassen, „dass der Ausweis nicht zum Verlassen Deutschlands berechtigt“ ist. So steht es in Paragraf 6 des Gesetzes über Personalausweise. Allerdings bleibt das Problem, dass solche Sperrvermerke nicht an jeder Grenze überprüft werden. Im Geltungsbereich des Schengen-Abkommens wäre laut Bundesregierung auch die „Ausschreibung zur Einreiseverweigerung“ über das Schengener Informationssystem denkbar. Das ist eine Computerdatenbank, auf die alle Schengen-Staaten Zugriff haben. Die Türkei, ein bevorzugtes Transitland für Terror-Touristen mit Reiseziel Nahost, zählt aber nicht dazu.

Die Bundesregierung erwägt laut Innenministerium auch, IS-Sympathisanten mit doppelter Staatsbürgerschaft die deutsche Staatsangehörigkeit zu entziehen. Das ist nach einschlägigem Recht möglich, wenn „ein Deutscher in die Streitkräfte oder einen vergleichbaren bewaffneten Verband eines ausländischen Staates, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, eintritt“. Paragraf 28 des Staatsangehörigkeitsgesetzes müsste dazu angepasst werden. Diskutiert werde auch, den Besuch von Terrorcamps generell unter Strafe zu stellen, so der CSU-Mann Mayer.

Bis jetzt ist eine Ausbildung dort nur strafbar, wenn der Person gleichzeitig eine konkrete Absicht zur Verübung von Anschlägen nachgewiesen werden kann. Dieser Nachweis sei angesichts der restriktiven Regelung jedoch schwer zu führen, sagt Mayer. Union und SPD machen sich zudem dafür stark, das Verbot der Sympathiewerbung zugunsten des IS auf alle als terroristisch eingestuften Organisationen auszuweiten. Innenminister Thomas de Maizière hatte vor zwei Wochen alle Aktivitäten des IS in Deutschland verboten.

Bundesweit laufen 72 Ermittlungsverfahren

Seit Beginn des Bürgerkriegs in Syrien haben die deutschen Behörden 30 Personen, die als Dschihadisten verdächtig sind, an der Ausreise aus der Bundesrepublik gehindert. Dies geht aus der Antwort der Regierung auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion hervor. Von diesen 30 Personen hätten 18 die deutsche Staatsangehörigkeit besessen. Im laufenden Jahr sei es fünfmal vorgekommen, dass ausreisewillige Terror-Touristen an der Grenze gestoppt wurden. Dabei ging es um insgesamt 16 Personen. Laut Bundesinnenministerium besitzen etwa die Hälfte der 450 IS-Sympathisanten, die sich nach Syrien oder in den Norden des Irak abgesetzt haben, die deutsche Staatsangehörigkeit.

Bundesweit laufen zurzeit nach Regierungsangaben 72 Ermittlungsverfahren gegen 114 Beschuldigte in dieser Angelegenheit. Ermittelt wird wegen des Verdachts der „Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat“ oder der Aufnahme von Beziehungen zum gleichen Zweck. Der Generalbundesanwalt ermittelt gegen 25 Beschuldigte im Zusammenhang mit dem syrischen Bürgerkrieg. Dabei steht auch der Tatvorwurf der Bildung terroristischer Vereinigungen im Raum.