Die Amerikaner haben einen Vertrag mit dem deutschen Pumpenhersteller gekündigt. Wenig spricht dafür, dass das schwäbische Unternehmen ein erstes Opfer der neuen Politik unter US-Präsident Donald Trump ist.

Stuttgart - Das Rätselraten hält an. Im Januar hat der amerikanische Elektroautopionier Tesla einen 100-Millionen-Euro-Auftrag für den schwäbischen Zulieferer SHW Automotive storniert, und noch immer wird über die Gründe spekuliert. Tesla begründet die abrupte Trennung damit, dass SHW die Leistungs- und Qualitätsanforderungen nicht erfüllt und zudem die Vertraulichkeitsregeln verletzt habe – was die Aalener rundweg abstreiten (ohne den Namen des Kunden zu nennen); mittlerweile, so heißt es, kümmern sich auf beiden Seiten Juristen um die Sache. Denn es gilt als unwahrscheinlich, dass SHW bereit ist, auf den bereits entstandenen Vorlaufkosten sitzen zu bleiben.

 

Besondere Aufmerksamkeit hat dieser ansonsten nicht ganz ungewöhnliche Streit zwischen einem Zulieferer und einem Hersteller erfahren, weil Tesla-Gründer Elon Musk einen Tag vor der Kündigung des Vertrags bei US-Präsident Donald Trump war, der bekanntlich der Einfuhr ausländischer Produkte den Kampf angesagt hat. Ist SHW Automotive mit seinem Werk in Bad Schussenried, wo die Getriebepumpen hergestellt werden sollten, also womöglich das Opfer der Politik des neuen Präsidenten? Anhaltspunkte dafür gibt es freilich nicht.

Tesla hat den Anlagenbauer Grohmann gekauft

SHW hätte Getriebepumpen für den neuen Tesla Model 3 liefern sollen, mit dem Musk den Massenmarkt erobern will. Model 3 wird aber nach früheren Ankündigungen selbst mit der SHW-Beteiligung zu 85 Prozent ein amerikanisches Auto sein, was Trump gefallen müsste. Hinzu kommt: Musk hält viel von deutscher Technik und hat im November vorigen Jahres den Anlagenbauer und Automatisierungsspezialisten Grohmann Engineering aus Prüm/ Eifel gekauft. Über Zweifel an dem Erwerb nach Trumps Wahlsieg ist nichts bekannt geworden; mittlerweile ist die Übernahme auch juristisch perfekt. Von negativen Reaktionen in den Vereinigten Staaten auf den SHW-Aktionär ARN International Holding aus China, der neun Prozent der Anteile hält, ist auch nichts bekannt.

Wie in der Autobranche zu hören ist, spricht einiges dafür, dass mit dem deutschen Traditionsunternehmen, das auf die alten Schwäbischen Hüttenwerke (SHW) zurückgeht, und dem kalifornischen Newcomer zwei Welten mit unterschiedlichen und unverträglichen Kulturen aufeinandergeprallt sind. Zwar gilt Tesla im Vergleich mit den traditionellen US-Autoherstellern als sehr viel stärker qualitätsorientiert. „Tesla steht mit seinen Hightech-Ambitionen mehr als eine Stufe über den Detroiter Herstellern“, sagt ein Insider, „denn Musk orientiert sich eher an der Luft- und Raumfahrtindustrie, in der die USA führend sind.“ Musk ist auch Besitzer des Raumfahrtfirma Space X.

Der Aktienkurs hat sich wieder stabilisiert

Tesla steht gegenwärtig aber unter einem enormen Druck, sein Model 3 noch in diesem Jahr auf den Markt zu bringen und reagiert allergisch auf drohende Verzögerungen. Die Limousine für 35 000 Dollar (knapp 33 000 Euro) soll die bisher fünfstelligen Absatzzahlen 2018 auf 500 000 Fahrzeuge bringen. Deutsche Topzulieferer haben jedoch den Ruf, dass bei ihnen Zuverlässigkeit und Präzision klar vor Schnelligkeit gehen. „Ein Tauziehen um Termine ist nicht die Sache von Zulieferern wie SHW Automotive“, sagt der Insider.

Auf der Chefetage hat lange Schweigen geherrscht

Als Tesla im Januar den Auftrag stornierte, stürzte der Aktienkurs von SHW, der Mutter des Zulieferers, innerhalb kurzer Zeit um zehn Prozent auf 29,60 Euro ab; die Commerzbank sah daraufhin sogar die mittelfristigen Unternehmensziele gefährdet. Mittlerweile hat sich der Aktienkurs aber stabilisiert und auch Management und Belegschaft haben sich vom ersten Schreck erholt. Der Pumpenspezialist hält an der geplanten Ausweitung des Geschäfts mit den Herstellern von Elektrofahrzeugen fest, weil der Zulieferer hier Expansionsmöglichkeiten sieht: Pumpen werden beim Elektrofahrzeug sowohl im Antriebsstrang als auch im Bremssystem und bei der Kühlung gebraucht.

Von „Großauftrag“ mag SHW nicht mehr sprechen

SHW ist eigentlich auf hydraulische Pumpen spezialisiert, hat aber auch bereits Erfahrungen mit der Elektrik. So stellt das Unternehmen seit 2009 elektrische Getriebeölpumpen für Fahrzeuge mit Automatikgetriebe sowie Start-Stopp-Funktion her. Nach Angaben eines Sprechers baut SHW die Pumpen und kauft Elektromotor sowie Steuerung zu; so war es auch bei dem nun geplatzten Geschäft mit elektrischen Achsgetriebepumpen für Tesla geplant.

Die Aalener haben ursprünglich von einem Großauftrag gesprochen, relativieren die Größenordnung nun aber und rechnen vor: Aufs Jahr gerechnet entsprechen die 100 Millionen Euro bei fünf Jahren Laufzeit 20 Millionen Euro. Zum Vergleich: Im vergangenen Jahr hat SHW Automotive zwischen 410 und 430 Millionen Euro umgesetzt; bis 2020 sollen die Erlöse sogar auf 630 bis 660 Millionen Euro steigen.

Das Unternehmen steht zu dem Zusatztarifvertrag

In der ersten Hälfte dieses Jahres hätte die Produktion in Bad Schussenried beginnen sollen. Trotz des Auftragsverlusts hält sich bei den Arbeitnehmervertretern die Aufregung aber in Grenzen. Denn seit dem 1. Januar 2017 gibt es einen Ergänzungstarifvertrag für den Standort, der einerseits die Personalkosten senkt und andererseits zusichert, dass die Stammbelegschaft auf dem aktuellen Stand gehalten wird. Das Management sichert auch zu, Bad Schussenried zum Kompetenzzentrum für elektrisch angetriebene Ölpumpen zu machen und dafür zusätzlich neun Millionen Euro zu investieren. SHW-Chef Frank Boshoff sprach bei Vertragsabschluss von einem strategischen Meilenstein für den Bestand und die Weiterentwicklung des Unternehmens in Deutschland. Platz für das Kompetenzzentrum entsteht, weil SHW in diesem Jahr in einem neuen Werk in Sibiu/Rumänien mit der Produktion von Pumpen beginnen, die gegenwärtig in Bad Schussenried gefertigt wurden. „Im weiteren Verlauf ist auch der Start von Neuprojekten vorgesehen“, sagt der Sprecher.

Nach dem Ausstieg von Tesla aus dem Liefervertrag hat sich das Unternehmen in der örtlichen Presse zunächst nicht zur Zukunft des Ergänzungstarifvertrags äußern wollen. Auf Nachfrage der Stuttgarter Zeitung heißt es jetzt aber klipp und klar: „Der ab dem 1. Januar 2017 bei der SHW Automotive GmbH, Bad Schussenried, gültige Ergänzungstarifvertrag bleibt von der jüngsten Auftragsstornierung unberührt und sieht eine Beschäftigungssicherung von 475 Stammbeschäftigten bis zum 31. Dezember 2022 vor“.

„Die Abrufe sind höher als erwartet“

Für Christoph Dreher, der im Auftrag der IG-Metall-Bezirksleitung in Ulm im vergangenen Jahr die Verhandlungen geführt hat, ist das eine Selbstverständlichkeit. Die Lage beschreibt er so: „Die IG Metall hat für den Standort einen Ergänzungstarifvertrag mit Laufzeit bis Ende 2022 abgeschlossen. Die Belegschaft leistet einen Beitrag. Dafür ist das heutige Beschäftigungsniveau abgesichert und es sind entsprechende Investitionen zugesichert – für eine klare Zukunftsperspektive für den Standort. Daran hat sich nichts geändert.“ Eugen Maucher, Vorsitzender des Betriebsrats in Bad Schussenried, sieht das genauso; zudem stimmt ihn die Konjunktur zuversichtlich:„Die aktuelle Lage ist besser als vor sechs Monaten. Die Abrufe sind höher als erwartet.“ Dass SHW auf die Elektromobilität setzt, findet er richtig: „Ich hoffe, dass sich der Auftragsverlust kompensieren lässt, denn alle Hersteller setzen ja jetzt auf die Elektromobilität.“