Der Arzt Thorsten Pilgrim aus Gerlingen verantwortet drei Corona-Testzentren in der Region – bald werden es weitere zwei sein. Dabei hatte der 52-Jährige einmal völlig andere Pläne.

Altkreis Leonberg - Donnerstagmittag, im Gewerbegebiet Gerlingen. Es ist kühl, der Himmel grau, es ist windig und es nieselt. Ein Auto fährt von der Drive-Thru-Station weg. Die Fahrerin hat sich eben testen lassen. In 15 Minuten wird sie wissen, ob das Ergebnis negativ oder positiv ist. Sie wird per E-Mail informiert werden. Ist er positiv, folgt ein PCR-Test – auch dieser wird im Hertling gemacht. Rund 100 am Tag, 500 bis 600 sind es von den Schnelltests.

 

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Die Mitarbeiter der Teststelle – in dicke Jacken und Regencape gehüllt – sind ebenso sachlich wie freundlich. Ihre Kunden sind es offenbar nicht immer: Manch einer sei ungehalten, wenn er mal warten müsse, einige Fahrzeuge vor ihm stehen, weil etwa zwischenrein ein Schüler einen PCR-Test machen muss. Thorsten Pilgrim, Arzt, reagierte darauf und stellte Security ein.

Testen im Minutentakt

Überhaupt kam manches anders als geplant: Pilgrim dachte auch, nach drei Monaten seien die Container für die Coronatests weg. Das war im März 2020, als er sein medizinisches Dienstleistungsunternehmen Viamed „konsequent auf Corona ausgerichtet“ hat. Ein Irrtum: Heute testet der 52-Jährige in seinen Zentren in Gerlingen, Schwieberdingen und Renningen im Minutentakt, nächste Woche öffnet er zwei weitere Teststellen in Ditzingen und Rutesheim.

„Jetzt explodiert die Nachfrage nach Tests – und die 2-G-plus-Regel wird sie nochmals erhöhen“, sagt Thorsten Pilgrim. Es gebe „wenig so großvolumige Angebote“ wie seine: Er rechnet mit insgesamt 20 000 Tests pro Woche, sobald die neuen Zentren im Vollbetrieb laufen. Auch würden die Leute es lieben, während des Tests im Auto sitzen zu bleiben, stellt der Gerlinger mit Blick auf seine Drive-Thru-Stationen fest. Die kennt er aus Amerika, wo er Humanmedizin studierte. Mit dem Bürgermeister Dirk Oestringer (parteilos) hatte er vereinbart, eine solche Station in Gerlingen auszuprobieren – mit Erfolg. „Das Angebot hat irre eingeschlagen“, sagt Thorsten Pilgrim. Daraufhin fragten auch andere Kommunen bei ihm an.

Politik hat den Sommer verpennt

Dabei legt Pilgrim Wert darauf, dass sein Testpersonal medizinische Fachkräfte sind, ab und an nimmt er Medizinstudenten. Es sei eine Herausforderung, genug Mitarbeitende zu finden, „aber wir kriegen unsere Dienstpläne immer besetzt“, sagt Thorsten Pilgrim. Als umtriebiger Unternehmer profitiert er von seinem großen Netzwerk. Gleichwohl will er mit seinen Mitteln einen Beitrag leisten , die Pandemie zu bekämpfen.

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Der 52-Jährige hat, so sagt er, immer geahnt, dass die Infektionszahlen wieder steigen, zumal das Virus im Winter aggressiver sei als im Sommer. Die Politik habe den Sommer verpennt, kritisiert Thorsten Pilgrim, der Anstieg der Infektionszahlen sei mit Ansage gekommen. Angesichts Impfdurchbrüchen habe er sich außerdem immer dafür ausgesprochen, dass sich auch Geimpfte testen lassen. Also ließ er seine Testzentren auch in Zeiten geringerer Nachfrage offen und bot niedrigere Preise an, als die Coronatests kostenpflichtig wurden, um Geimpfte ebenfalls zum Testen zu motivieren. Teilweise habe er „draufgelegt“ mit den Teststellen, nun würden sie sich lohnen. Die schiere Masse wiege die Fixkosten auf, sagt Thorsten Pilgrim. Pro Schnelltest bekommt er 3,50 Euro und für die Durchführung acht Euro. Je PCR-Test erhält er eine Laborpauschale.

Im Pop-Up-Zentrum wird geimpft

Schon lange engagiert sich Pilgrim auch für Kindergärten und Schulen, versorgt die Einrichtungen mit Tests, schult das Personal. Positiv getestete Kinder werden zu ihm geschickt, denn er nutzt PCR-Schnelltestgeräte von Bosch, die im Prinzip das ganze Labor auf einen kleinen Chip reduzieren. 25 Geräte für Kinder wie Erwachsene hat Pilgrim zurzeit im Einsatz – ein Gerät schafft nicht mehrere Tests zugleich. Damit sind Schüler im Idealfall zur großen Pause zurück in der Schule: Binnen 39 Minuten liegt das Ergebnis vor, inklusive des CT-Wertes, der besagt, wie ansteckend man ist. „Lange Wartezeiten sind der Super-GAU für vor allem Eltern“, weiß Pilgrim, der sechs Kinder hat. Die Kommunen, von denen immer mehr das Angebot nutzen, beteiligen sich finanziell.

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Thorsten Pilgrims Steckenpferd ist eigentlich die medizinische Versorgung in der ländlichen Region und die Telemedizin – Fernsprechstunden zwischen Patient und Arzt etwa über Video. Dieses Geschäftsfeld hätte er ohne die Pandemie noch stärker ausgebaut. Doch Pläne ändern sich. So testet Thorsten Pilgrim jetzt bis auf Weiteres nicht nur im Minutentakt, sondern impft seit Mai auch im großen Stil. Bis Jahresende seien noch 15 000 Termine offen. Für die Pikse werden Pop-up-Impfzentren geöffnet, also Einrichtungen wie Stadthallen für kurze Zeit in Impfzentren umfunktioniert.

Impfstoff immer noch limitiert

Inzwischen impft Thorsten Pilgrim auch in den Drive-Thru-Stationen, in den Mittagspausen und Abendstunden. Die Auffrischimpfungen im Auto seien am einfachsten, da könne man sich die Aufklärung und damit Zeit sparen, wenn der Patient einverstanden ist. Je wärmer es wird, desto mehr wolle er impfen, sagt Pilgrim: „Das ist eine Möglichkeit, großvolumig zu impfen.“ Im Winter würden die Hände der Ärzte doch recht schnell klamm.

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Aber es kommt nicht genug Vakzin nach. „Der Impfstoff ist immer noch limitiert und reicht bei Weitem nicht“, sagt der Arzt, der 5000 Pikse pro Woche setzen könne. Mittwochs erfahre er, welche Menge er bekommt, doch die Impftermine müsse er zwecks Planung schon vorher einstellen.