Im Filmdrama „The Imitation Game“ spielt Benedict Cumberbatch den Mann, der im Zweiten Weltkrieg die deutschen Enigma-Codes knackte. Am Donnerstag läuft das für acht Oscars nominierte Drama in den deutschen Kinos an.

Stuttgart - Alan Turing ist ein Arbeitskollege aus der Hölle, ein arroganter Besserwisser, der auf die Gefühle anderer keine Sekunde Rücksicht nimmt und mit Wort und Mimik zu verstehen gibt: ihr seid so viel dümmer als ich, dass ich mich kaum entfalten kann. Mit so einem Burschen hält man kaum den nächsten Arbeitstag aus. Aber mit so einem kann man auch Kriege gewinnen, wie uns Morten Tyldums Spielfilm „The Imitation Game“ spannend darlegt. Der britische Mathematiker Alan Turing (1912-1954), im Film von Benedict Cumberbatch interpretiert, hat während des Zweiten Weltkriegs mit einer kleinen Gruppe Experten daran gearbeitet, die Codes der deutschen Verschlüsselungsmaschine Enigma zu knacken.

 

Bei den Genies fliegen die Fetzen

Es ist ein Krieg, der nicht draußen an der Front unter Entbehrungen geführt wird, sondern in Holzbaracken in der Heimat: eine Konstellation, die der Drehbuchautor Graham Moore und der norwegische Regisseur Tyldum („Headhunters“) gut für ihre Zwecke zu nutzen wissen. Denn ohne die Bilder physischen Schreckens kann der Krieg skrupelloser als Spannungsgenerator herhalten, ohne dabei die wichtige Frage zu unterschlagen, wie weit wir bereit sind, unser Ego einer großen Sache unterzuordnen. In „The Imitation Game“ fliegen immer wieder die Fetzen in der Enigma-Arbeitsgruppe, die aus Genies mit wenig Teamerfahrung zusammengestellt wurde.

Genial, aber schwul

Der übelste Anecker ist Turing selbst, dem Cumberbatch einige der asozialen Auffälligkeiten seiner Titelfigur aus der Krimiserie „Sherlock“ gibt, ohne ihn dabei zur Karikatur zu machen. Unter all den Männern befindet sich nur eine Frau, die von Keira Knightley gespielte Joan Clarke, die nicht von allen gleich ernst genommen wird in Zeiten, in denen man Frauen nur die allereinfachsten Assistenzarbeiten zutrauen will. Doch bei allen Anklängen ans klassische Kriegskino ist die mit acht Nominierungen ins Oscar-Rennen gehende Schilderung eines Think Tanks keine Nostalgieübung. Zum einen schließt der Film an die Moderne an, weil Turing einer der Väter der Computerentwicklung war. Zum anderen bezieht „The Imitation Game“ etwas ein, an das sich die klassischen Wir-rekapitulieren-unsere-Heldentaten–Filme nicht herangewagt hätten: Turings Homosexualität und deren Ächtung.

Wir sehen also einen Mann, dessen Leben ein Versteckspiel ist und der nach dem Krieg als Krimineller behandelt wird. Bis heute ist nicht geklärt, ob Turing – zermürbt von Gerichtsprozess, Verurteilung und Zwangsbehandlung mittels Injektionen – Selbstmord begangen hat oder Opfer einer unabsichtlichen Vergiftung wurde.

Und wie war es wirklich?

In England und den USA hat der Anspruch des Films, auch ein Porträt von Alan Turing zu liefern, für Diskussionen gesorgt. Christian Caryl etwa hat den Film in der „New York Review of Books“ kundig zerpflückt. Der reale Turing sei ein komplexerer Charakter als der des Films gewesen, obendrein sei die Enigma-Entschlüsselung anders verlaufen als dargestellt.

Und wie war es wirklich?

Liest man solche Kritiken ohne Kenntnis des Films, klingen sie vernichtend. Doch im Kino selbst, da funktioniert die Fiktion des Films, da werden die Charaktere so glaubhaft wie die Konflikte nachvollziehbar gezeichnet. „The Imitation Game“ wirft die alte Frage auf, welche Freiheiten sich ein Spielfilm mit der Realität nehmen darf. Aber er macht einen auf diese Realität beziehungsweise auf deren gelehrte Deutungen neugierig. Über Turing und die Enigma-Entschlüssler nachzulesen, ist dann so spannend wie der Film selbst.

The Imitation Game. USA, Großbritannien 2014. Regie: Morten Tyldum. Mit Benedict Cumberbatch, Keira Knightley, Matthew Goode, Rory Kinnear. 113 Minuten. Ab 12 Jahren. Ab Donnerstag im Delphi, Metropol.