Nach sechs Jahren hat die Indietronic-Band The Notwist aus Weilheim mal wieder in der Manufaktur in Schorndorf gespielt – und zeigt sich gereifter, souveräner denn je.

Schorndorf - Kinder, wie die Zeit vergeht! Sechs Jahre, seit The Notwist zuletzt in der Manufaktur gastierten. Sechs Jahre sind, zumal in Pophausen, eine kleine Ewigkeit, eine Hörergeneration, fast. Weshalb sich der Ankündigungstext im Manufaktur-Programmheft auch an diejenigen jungen Musikfreunde richtete, die vielleicht noch nie etwas von The Notwist, der Weilheimer Indietronica-Band mit dem internationalen Renommee, gehört haben. Kommando: Bitte Staunen kommen! Die, die The Notwist noch kennen, die Alten, die kommen eh. Ehrensache!

 

Entsprechend eng war es im Saal. Konzerte von Szene-Konsens-Bands wie The Notwist haben immer etwas von einem Klassentreffen. Man trifft sich, tauscht Erinnerungen und bringt sich schnell mal auf den neuesten Stand. The Notwist in Mannheim oder auf dem Southside Festival live gesehen, die Film- und Theatermusiken der Band, jüngst veröffentlicht, schon gehört? Oder eine der zahlreichen anderen Bands gesehen, in denen die sechs Musiker von The Notwist aktiv sind? Lali Puna, Alien Ensemble, Ms. John Soda, Rayon, Hochzeitskapelle, Aloa Input, Console. Console? Nein, Martin Gretschmann aka Console, von dem man sagt, er habe mit seinen Frickel-Künsten die Post-Punk-Band The Notwist ab zirka 1998 erst zur Maßstäbe setzenden Indietronica-Band geformt, ist zum Jahreswechsel ausgestiegen, um sich als Acid Pauli seiner DJ-Karriere zu widmen. Er wird live ersetzt von Cico Beck, dessen eigene Band Aloa Input mit charmant verschrobenen psychedelischen Neo-Krautrock den Abend vielversprechend anwärmte.

Kleine Zeitreise durch die Bandgeschichte

The Notwist ließen es erst mal krachen, eröffneten druckvoll mit „Konk“ vom aktuellen Album „Close to the Glass“ und machten sich dann auf zu einer kleinen Zeitreise durch die 25-jährige Bandgeschichte. Wie immer setzte man live auf Reduktion von Komplexität und agierte weniger verhuscht und skrupulös als auf den immer etwas zu perfekt gewollten Alben. Verstärkt um den Vibrafonisten und Perkussionisten Karl Ivar Refseth und mit einem Andy Haberl in Höchstform am Schlagzeug spielte man alle Lieblingsmusiken gleichzeitig und wechselte dabei beeindruckend gekonnt zwischen den Instrumenten. Mit dem Resultat, dass ein Song wie „Pilot“ recht werktreu begann, dann in seine Live-Dub-Version morphte, die zu einem technoiden Minimal-Groove wurde, bis der Song schließlich zurückkehrte. Zehn geniale Minuten.

Sehr organisch landete man mal bei perkussiven Patterns, wie man sie etwa von Steve Reich kennt oder – Überraschung – bei den Spacerock-Hallräumen der frühen Hawkwind. Oder aber der Gitarrist Markus Acher erinnerte mit seinem Gestus an die US-Indie-Bands, die The Notwist Ende der 1980er Jahre inspiriert hatten. Bands wie Dinosaur Jr. oder Hüsker Dü, die auf Dynamik statt auf Rock-Soli setzten. Die leicht verhangene Melancholie, die beim Nicht-Sänger Acher immer mitschwingt, darf nicht fehlen, ist Erkennungsmerkmal. Ein paar alte Hits wie „Pick Up The Phone“ oder „Neon Golden“ wurden clever an den richtigen Stellen platziert, um Erinnerungen zu triggern. Manch kompositorische Schwäche wurde collagenhaft weggegroovt. Im Vergleich zum Konzert von 2009 ist trotzdem alles ungleich mehr auf dem Punkt, druckvoller, konzentrierter, weniger ins Mäandernd-Krautrockende schießend. 2015, so der Eindruck, verfügen The Notwist souverän über ihre vielfältigen Möglichkeiten. Endlich.