„The Umbrella Academy“ ist die schrulligste, sarkastischste und sperrigste Superhelden-Serie seit langem. Und Gerard Way, der einst Chef der Rockband My Chemical Romance war, hat eifrig mitgemischt.

Freizeit & Unterhaltung : Gunther Reinhardt (gun)

Stuttgart - Gerard Way, der aus New Jersey kommt und seine Haare gerne Orange leuchten lässt, verdanken wir zwei Klassiker der Popkultur. Beim ersten handelt es sich um das grandiose Album „The Black Parade“ aus dem Jahr 2006, das Way mit seiner Band My Chemical Romance aufnahm – eine bombastisch krachende und dröhnende Rockoper, die damals völlig zu unrecht in die Emo-Rock-Schublade gestopft wurde. Der andere Klassiker ist der Comic „The Umbrella Academy“, den Way 2008 als Autor zusammen mit dem Zeichner Gabriel Bá entwickelt hat und der damals den Sprechblasen-Oscar Eisner Award für die beste abgeschlossene Comicreihe bekam.

 

Aus dem Leben einer dysfunktionalen Superheldenfamilie

„The Umbrella Academy“ erzählt vom drohenden Weltuntergang und einer dysfunktionalen Superheldenfamilie: Sieben mehr oder weniger außergewöhnliche Kinder werden von dem spleenigen Millionär Sir Reginald Hargreeves adoptiert, durchnummeriert und zur Heldentruppe ausgebildet. Irgendwann kommt Nummer sechs ums Leben und im Lauf der Jahre verzanken sich die Mitglieder der Umbrella Academy mehr und mehr, erst beim Tod ihres Ziehvaters kehren sie alle als Erwachsene zurück ins Haus ihrer Kindheit und Jugend, wo sie von ihrer Robotermutter und einem Schimpansen-Butler erwartet werden.

„The Umbrella Academy“ liebt es grell, bunt und laut

Die Musik von My Chemical Romance und die „Umbrella Academy“-Story haben gemeinsam, dass sie es grell, bunt und laut lieben und einen Hang zur theatralischen Inszenierung nicht verheimlichen. Als sich Way im Sommer 2011 mit seiner Band einmal auf den Stuttgarter Killesberg verirrte, gab es schon Gerüchte, dass es bald einen Film zum Comic geben sollte, doch Way wollte damals im Interview die Spekulationen nicht kommentieren. Aus dem Film wurde erst einmal nichts, dafür lösten sich My Chemical Romance zwei Jahre später auf.

Ellen Page als die außergewöhnlich gewöhnliche Nummer sieben

Jetzt hat Netflix mit Unterstützung von Gerard Way aus dem Stoff keinen Kinofilm, sondern eine aus zehn Episoden bestehende Serie gemacht. Steve Blackman („Fargo“) hat „The Umbrella Academy“ entwickelt und einige der bizarrsten Ideen des Comic in der Serie gestrichen – etwa den Auftritt des Eiffelturms als ein von einem Gustav-Eiffel-Zombie gesteuertes Raumschiff. Trotzdem kommen die Geschichte und ihre Protagonisten immer noch ziemlich abgedreht daher: Da ist Nummer eins (Tom Hopper), der superstark, aber einsam auf dem Mond lebt, da ist Nummer zwei (David Castañeda), der mit Messern um die Ecke werfen kann, da ist Nummer drei (Emmy Raver-Lampman), die Lügen wahr werden lässt, das ist Nummer vier (Robert Sheehan), der seine Gabe, mit Toten reden zu können, mit Drogen jeglicher Art unterdrückt, da ist Nummer fünf (Aidan Gallagher), der als durch die Zeit reisender alter Mann im Körper eines Teenagers festsitzt, und dann ist da noch Nummer sieben (Ellen Page), die offenbar gar nichts kann.

Puppenhaustanz zu Tiffanys „I think we’re alone now“

Ob dieses Team wider Willen in der Lage ist, den Tod Reginald Hargreeves’ aufzuklären und eine bevorstehende Apokalypse zu verhindern, soll hier nicht verraten werden. Nur so viel: Ein böser, herrlich überkandidelter Spaß ist die Serie aber auf jeden Fall. Mal verneigt sie sich vor Quentin Tarantinos „Pulp Fiction“, wenn sie die zwei ziemlich geschwätzigen Killer Cha-Cha (Mary J. Blige) und Hazel (Cameron Britton) auf diese mühsam erwachsen gewordenen Problemkinder loslässt. Mal borgt sie sich die Skurrilität von Wes Anderson, wenn sich die Hargreeves-Residenz in ein Puppenhaus verwandelt und die Geschwister in ihren Zimmern selbstvergessen zu Tiffanys 80er-Jahre-Ohrwurm „I think we’re alone now“ tanzen. Wenn da nicht Gerard Way wieder seine Finger im Spiel gehabt hat.

Von Freitag, 15. Februar, an sind alle zehn Episoden von „The Umbrella Academy“ auf Netflix verfügbar, die Comics sind auf Deutsch bei Cross Cult erschienen.