Das Rollenspiel „The Witcher“ aus Polen wird fortgesetzt: mit dem abwechslungsreichen Titel „Wild Hunt“. Gute Dialoge, eine stimmige Atmosphäre und glaubwürdige Charaktere ziehen den Spieler immer tiefer in die düstere Fantasywelt hinein.

Stuttgart - Computerspiele des „Open World“-Genres haben einen ganz eigenen Reiz – und bergen eine Gefahr: Dort kann der Spieler tun und lassen, was er möchte. Er kann einer vorgegebenen Storyline folgen oder auf eigene Faust Aufgaben erledigen. Einerseits macht das Erkunden einer virtuellen Welt Spaß, andererseits kann man die Lust verlieren, weil es anstrengend ist, sich immer wieder selbst Aufgaben zu suchen. Kurzum: es ist ein schmaler Grat, auf dem die Entwickler solcher Spiele wandern. Das Rollenspiel „The Witcher 3: Wild Hunt“, das seit wenigen Tagen auf dem Markt ist, hat diese Schwierigkeit bravourös gemeistert: Es lässt dem Spieler alle Freiheiten und vermittelt zugleich das Gefühl, Teil eines großen Ganzen zu sein, ein entscheidender Teil einer epischen Geschichte.

 

Darum geht’s: Geralt von Riva ist ein sogenannter Hexer und Monsterjäger, mit den Künsten der Alchemie und der Zauberei vertraut, der sich durch eine mittelalterliche Welt schlägt. Gegen Geld übernimmt der Hexer Aufträge, um die Welt, in der es von Fabelwesen wie Trollen, Riesen oder Greifen nur so wimmelt, zu befreien. Der Hexer steht dabei zwischen den Fronten sich bekämpfender Königreiche, hineingeworfen in einen erbarmungslosen Krieg. „The Witcher 3: Wild Hunt“ ist der dritte und abschließende Teil der Geralt-Saga des polnischen Entwicklers CD Projekt RED. 2007 war der erste Teil „The Witcher“ erschienen, 2011 der zweite Teil „Assassins of Kings“.

Die Spiele basieren auf den Büchern des polnischen Schriftstellers Andrzej Sapkowski. Sowohl in den Büchern als auch in drei Computerspielen wird eine düstere Welt gezeichnet, in der Verrat und Intrigen an der Tagesordnung sind: Könige werden gemeuchelt, Magiergilden führen Böses im Schilde. Der Hexer kann sich dabei stets frei und nach eigenem Gewissen entscheiden, für welche Seite er eintreten möchte – oder auch seinen eigenen Weg gehen. Gleichwohl: mit fortschreitendem Spielverlauf wird er doch in die Verstrickungen der Welt hineingezogen.

Das Spiel ist für Jugendliche nicht geeignet

Gut 100 Stunden an Aufgaben-Inhalten bringt „The Witcher 3“ auf die Festplatte. Das Spiel erzählt in dieser Zeit vor allem eine spannende Fantasy-Story, die man auch ohne Vorkenntnisse der Vorgängerspiele genießen kann. Selbst vermeintlich harmlose Nebenaufgaben bieten oft interessante Inhalte und tiefer gehende Informationen zur Spielwelt. Das ist neben den gut geschriebenen und übersetzten Dialogen vor allem glaubwürdigen Charakteren zu verdanken: In der Spielwelt trifft man auf sauber ausgearbeitete Figuren. Oft hat man so das Gefühl, einem Kinofilm zuzuschauen. Die sich langsam entfaltende Story ist gleichzeitig abwechslungsreich, Langweile kommt so gut wie nie auf: Spieler erkunden alte Ruinen, jagen Riesen, klären Verbrechen auf oder beschwören Untote.

Die Spielwelt selbst besteht aus mehreren riesigen Gebieten. Die Atmosphäre ist stets und überall stimmig. Auf Wiesen tummeln sich Schafsherden, Rehe huschen durch die Wälder, Bäume wiegen sich im Wind, Banditen liegen im Wald auf der Lauer. Auf den Monitor oder Fernseher werden dabei Landschaften gezeichnet, die fast schon an Gemälde erinnern, idyllisch und friedlich einerseits, so dass man immer wieder mal stehen bleibt, um Aussichten oder einen Sonnenuntergang zu genießen. Im Gegensatz dazu steht die Brutalität eines heraufziehenden Krieges – und auch das Spiel ist nicht gerade zimperlich in seiner Gewaltdarstellung. Da werden mit Schwertern schon einmal Köpfe oder Gliedmaßen abgeschlagen, es spritzt das Pixel-Blut vielleicht ein wenig zu stark für empfindliche Mägen. Dass das Spiel erst ab 18 Jahre ist, ist deshalb nur logisch.

Kurzum: das Spiel wendet sich daher an Erwachsene, es verbindet gekonnt Gegensätze, zeigt Grauzonen menschlichen Verhaltens auf und ist ein Gesamtkunstwerk, wie es nur alle paar Jahre auf dem Computerspielmarkt erscheint. Es ist ein Spiel, für das man sich Zeit lassen sollte, dann zieht es einen ganz in seinen Bann.