Das Theater am Faden hat das Sommerfestival zum 40-jährigen Geburtstag eingeläutet – mit einer Aufführung von Jorinde und Joringel.

Filderzeitung: Rebecca Anna Fritzsche (fri)

S-Süd - Nichts kann Helga Brehme so schnell aus der Ruhe bringen: Zu Beginn der Jubiläumsaufführung von „Jorinde und Joringel“ reißt einer der Fäden am Kopf des Kaspers. Geschickt bindet sie das Malheur ins Spielgeschehen ein, repariert den Faden und fragt nebenbei in der Rolle des Kaspers die Kinder: „Ohne den Faden kann ich meinen Kopf nicht richtig bewegen. Habt ihr auch Fäden an den Köpfen?“ „Neeein“, rufen die – völlig fasziniert vom Spielgeschehen. Und dann geht es schon weiter.

 

Helga Brehme erzählt das Grimmsche Märchen „Jorinde und Joringel“: Jorinde wird von einer Hexe in einen Vogel verwandelt. Joringel macht sich auf den Weg, sie mit einer Zauberblume zu retten. „Man muss immer weiter spielen, auch wenn mal etwas schief geht“, sagt Brehme später und lächelt. Es spricht lediglich der Kaspar als Ansager. Ansonsten kommt die Geschichte ohne Worte aus. Das hat einen ganz eigenen Zauber. Brehme: „Warum sollten wir den Figuren unsere Sprache geben? Alles Nötige wird auch so ausgedrückt.“

Die Puppen sind teils älter als das Theater

Nervös war sie nicht, trotzdem war diese Vorstellung etwas Besonderes: „Jorinde und Joringel“ war 1972 das erste Stück, das Helga Brehme in ihrem neuen Theater am Faden gespielt hat, damals noch an der Böblinger Straße, seit 1989 in der Spielstätte an der Hasenstraße. Das ist ein altes, herrlich verwinkeltes Haus, das nicht nur den Theaterraum beherbergt, sondern auch Kostüme, mit denen sich die Kinder vor den Vorstellungen verkleiden können – und viele Puppen.

Ein paar tausendmal hat Helga Brehme das Märchen schon gespielt, zuerst mit ihrem Mann Karl Rettenbacher, der mit ihr den Spielbetrieb führte, seit dessen Tod 2007 alleine. Brehme hat ihr Handwerk an der Akademie der bildenden Künste Stuttgart und der Akademie der musischen Künste, Abteilung Puppenspiel, in Prag gelernt. Sie schnitzt ihre Puppen selbst. Jorinde und Joringel etwa sind schon älter als das Theater am Faden selbst. Sie sind Ende der 1960er Jahre entstanden.

Gasttruppen aus Moskau und Westsibirien

Mit der Aufführung des Märchens wurde vergangenen Freitag das Sommerfestival eröffnet, mit dem in den kommenden Wochen das 40-jährige Bestehen gefeiert wird. Es treten Gastpuppenspieler aus Moskau und Tomsk in Westsibirien auf. Gleichzeitig richtet das Theater am Faden in diesem Jahr die Figuren-Spiele 2012 aus, bei denen sich Figurentheater aus Baden-Württemberg präsentieren. Es spielen unter anderen das Marotte-Theater aus Karlsruhe und das Theater Pass-Partu aus Eppingen. Feste, Malwerkstätten und weitere Angebote für Kinder stehen ebenfalls auf dem Programm.

Die Vorbereitungen für diesen voll gepackten Sommer haben Helga Brehme sehr in Anspruch genommen. Deshalb wird sie ihr Vorhaben, in einem Haus nahe des Theaters eine Heimat für all ihre Puppen einzurichten, vorerst nicht verwirklichen können. Dieses Museum eröffnet vielleicht im kommenden Jahr. Das Wort „Museum“ sei allerdings vielleicht irreführend. Schließlich will Brehme keine wissenschaftliche Ausstellung machen, sondern nur ihre Puppen aus den Koffern holen und vorzeigen, die sich in den Jahren angesammelt haben. Zunächst gilt es, das Haus herzurichten, nachdem Dach und Fassade erneuert worden sind. Auch nach 40 Jahren hat Helga Brehme noch viel vor.